Die Bewegung des Begriffs bei Hegel

Hegel

 

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Die Logik: Zusammenfassende Darstellung der Bewegung des Begriffs in seiner Reinheit

Gesamtdarstellung der Ein- und Ausfaltung des Begriffs in der Logik

 

Hegel zu verstehen bedeutet, dass man versteht, was er unter Begriff versteht. Solange man den Begriff nur als Identität eines Dinges oder Sachverhalts versteht, von der die Differenz im Urteil getrennt gedacht wird, solange muss man Hegel notwendigerweise missverstehen. Dies liegt nicht an Hegel und seiner vermeintlichen Obskurität, sondern am Vorurteil, das bei der Lektüre Hegels zum Tragen kommt. Der Begriff ist bei Hegel weder ein Identisches noch ein Statisches, sondern beinhaltet eine Bewegung oder Arbeit, die immer von neuem die Einheit von Identität und Differenz sucht, oder - was dasselbe ist - die Einheit von Allgemeinem und Besonderem im Individuellen. Diese Arbeit ist eine Arbeit der Erfahrung, die Passivität und Aktivität, Ansichsein und Fürsichsein als Momente enthält und vermittelt.

Die Begriffsbildung ist eine Selbstbestimmung des Begriffs, die ohne äussere unreflektierte Annahmen bzw. Voraussetzungen auskommt und selbst erst die Bewegung (Methode) bestimmt. Die Methode ist somit nicht schon vor Beginn der inhaltlichen Arbeit als Form gegeben, sondern entwickelt sich mit ihr. In diesem Sinne ist in Hegels Logik (und Philosophie insgesamt) die Einheit von Materie (Inhalte), Form (Methode) gewährleistet, ohne die nur voraussetzungsbeladene Willkür herrschen würde, auch dann, wenn im Sinne der Formalen Logik formal-logische Stringenz herrscht. In seiner transzendentalen Logik geht Kant davon aus, dass die unmittelbare empirische Anschauung einerseits, und die Begriffe (Kategorien und Raum-Zeit-Raster)  andererseits, unabhängig voneinander gegeben sind und in der Erfahrung (Wissen) zur Synthese gelangen. Damit bindet er zwar in der Erfahrung das Andere des Begriffs an seine Identität – Wissen kann niemals nur analytisch entstehen – kann jedoch die Entwicklung von Erfahrung nicht als Begriffliche erfassen, da die Kategorien immer schon vorgegeben und die Inhalte vor-begrifflich gegeben sind - die Einheit von Inhalt und Form ist nicht gewährleistet. Im Hegelschen Verfahren hingegen ist die Anschauung ein Moment der begrifflichen Entwicklung von Erfahrung selbst und als solches selbst der Entwicklung unterworfen, die sich wie gezeigt als Aus- und Einfaltung des Begriffs darstellt.

Hegel beginnt seine Logik mit dem Begriff des reinen Seins. Es kennzeichnet den Anfang der Analyse des Denkens im reinen Begriff, das aus der begrifflichen Ausfaltung des Bewusstseins und seiner letzten Einfaltung, d.h. Aufhebung seiner Gegenstandsbezogenheit, hervorgegangen ist. Diese Ausfaltung hatte den Begriff nur in seinem Andern, im jeweiligen Gegenstand, und damit war seine kritische Bewegung nur eine äussere in der Darstellung der Gestalten des Bewusstseins. Ab jetzt ist das Andere direkt an den Begriff gebunden, verlässt ihn nicht mehr in sein ganz Anderes und Äusseres und ist so in das Allgemeine erhoben, nicht mehr das spezielle Andere. In der Seinslogik bleibt allerdings die Annahme bestehen, dass die Wahrheit lediglich im Sein gefunden werden kann. Sie ist somit die Darstellung des reinen Begriffs im Sein. Erst in den anschliessenden Teilen der Logik (Wesen, Begriff) wird diese Annahme aufgehoben.

Das erste Andere (des Seins), das in der Analyse aufgefunden wird, ist das Nichts. Es ist am Anfange dem Sein absolut entgegengesetzt und damit ihm gleich, da keine weiteren Unterscheidungen gemacht werden. Sollen die beiden nicht als Absolute einander entgegenstehen bleiben (ohne jede Möglichkeit der Vermittlung), dann müssen beide sich zu Momenten setzen, die nun in ihrer gegenseitigen Beziehung eine neue Einheit - den Begriff des reinen Werdens - hervorbringen. Das reine Werden ist der erste konkrete Begriff, da er zwei Momente in seiner Einheit zusammenfasst. Diese erste Ausfaltung des Begriffs, d.h. Vermittlung eines absoluten Gegensatzes, bleibt jedoch weiterhin bestimmungslos, da die beiden Momente lediglich unmittelbar ineinander übergehen.

Der Schritt als Voraussetzung von Bestimmtheit erfordert eine Einfaltung des ereichten konkreten Begriffs des reinen Werdens in eine erneute Einseitigkeit, in welcher das Andere, die Negation, erst implizit enthalten ist als nur äussere Grenze (determinatio est negatio) - das Da-Sein. Aus dieser Voraussetzung heraus kann sich erst eine erneute Ausfaltung des Begriffs, d.h. Bestimmtheit des Andern als Qualität, ergeben, die sowohl das bestimmungslose Ineinanderübergehn von Sein und Nichts als auch die Einseitigkeit und Abstraktion des Begriffs des Daseins überwinden wird. Ohne eine solche Vereinseitigung im Zuge der erneuten Einfaltung des Begriffs könnte keine Bestimmung entstehen und das reine Werden bliebe als immer nur das gleiche unmittelbare Übergehen vom Sein ins Nichts und vom Nichts ins Sein.

Aus der Ausfaltung des Begriffs des Daseins geht der Begriff der Realität hervor. Realität bezeichnet das Dasein von Dingen als Träger von Qualitäten. Das Ding wird durch Qualitäten konstituiert, die es unterscheiden soll von andern Dingen und gibt gleichzeitig der Qualität erst Dasein. Es ist die Voraussetzung von Qualität und wird gleichzeitig erst durch Qualitäten gesetzt. Dies führt zu einem Regress ins Unendliche oder wie es Hegel ausdrückt zu einer schlechten Unendlichkeit des Übergehens vom Etwas in sein es bestimmendes Anderes und umgekehrt. Die schlechte Unendlichkeit kann auch dann nicht vermieden werden, wenn zwischen primären und sekundären Qualitäten unterschieden wird, da im Prozess der Bestimmung des Etwas jederzeit eine sekundäre Qualität zu einer primären und eine primäre zu einer sekundären Qualität werden kann. Das Etwas als solches bleibt bestimmungslos, ist nur ein Bündel von Qualitäten, die es mehr oder weniger repräsentieren sollen.

Diese Situation der schlechten Unendlichkeit führt notwendig zu einer erneuten Einfaltung des Begriffs, in welcher die Qualitäten aufgehoben werden (Negation der Negation durch Qualität) und nur noch das reine Fürsichsein des Dings als Beziehung auf sich selbst betrachtet wird. Diese erneute Unmittelbarkeit setzt die Voraussetzung des Seins eines Dinges - dass dieses nämlich für sich ein Unendliches ist und keineswegs durch seine Qualitäten allein bestimmt werden kann. Dem Dasein und seiner Qualität wird das ideelle Fürsichsein gegenübergestellt, wodurch dieses zum ausschliessenden Eins wird.

Dadurch stehen sich in einer erneuten Ausfaltung des Begriffs viele Eins gegenüber, die sich gegenseitig ausschliessen (Repulsion), jedoch auch aufeinander beziehen (Attraktion) – das reine ausschliessende Eins oder Fürsichseiende ist in einer neuen Einheit von Repulsion und Attraktion aufgehoben. Diese neue Einheit vereint Dasein (An sich Sein, Realität, viele Eins) und Fürsichsein (Idealität, Ein Eins) und ist absolute Qualität oder An und für sich-Bestimmtsein.  Das ausschliessende Eins ist durch sein Anderes (viele Eins) hindurchgegangen. Allerdings hat es in der neuen Einheit den Weg (seine Vermittlung) verloren, womit wiederum nur eine neue Unmittelbarkeit entstanden ist – das Sein in seiner absoluten Qualität ist Sein als Quantität geworden, in welchem sich die Qualität erst wieder als Verhältnis (Mass) einfinden wird. Die Seinslogik als objektive Logik kennt den Begriff nur an sich, im Sein. Das Fürsichsein findet sich somit immer nur abgetrennt oder in einer nur an sich seienden Einheit. Eine sich selbst entwickelnde Vermittlung von für und an sich sein ist hier nicht möglich. Dazu muss der Begriff selbst erst subjektiv werden, d.h. sich zum Selbstbewusstsein entwickelt haben.

Im Sein als Quantität ist die (qualitative) Bestimmtheit als gleichgültig aufgehoben, oder, die resultierende reine Quantität ist das aufgehobene Fürsichsein, die aufgehobene absolute Qualität, womit Sein und Bestimmtheit in den weiteren qualitativen Bestimmungen auseinanderfallen. Die gewordene innere Einheit des Fürsichseins mit sich selbst ist gleichzeitig Einheit des Aussersichseins und damit als Sein fremd-bestimmt: Das nur Innere ist das nur Äussere in unmittelbarer Einheit.

Die erste Ausfaltung des Begriffs der reinen Quantität ist das Eine und das Viele. In der Logik der Quantität sprechen wir somit nicht mehr von Fürsichsein und Sein für Anderes, sondern von Einheit und Vielheit. Es wird nicht mehr versucht, die Sache oder das ‚Etwas und das Andere‘ durch die Abscheidung von qualitativ Wesentlichem (Sein) und qualitativ Unwesentlichem (Nichts) zu bestimmen, sondern durch Anzahl, Ausmass, Grösse etc., die das ‚Etwas und das Andere‘ in seinem Wesen nicht tangieren. Es ist nicht verschwunden, jedoch als gleich-gültiges Moment der reinen Quantität gesetzt. Damit wird von der Form abstrahiert und das Absolute nur in der ‚Bestimmung von Materie‘ oder Atome gesetzt. Das Reale ist nun gleichgültige Raumerfüllung.

Die unmittelbare einfache Einfaltung (Bestimmtheit oder Negativität) des Begriffs der reinen Quantität ist die Quantität als Quantum oder Zahl. In der Zahl wird das Negative des Einen (das Viele) zur Grenze, die im Einen enthalten ist, nicht wie in der Logik der Qualität und ihrer Spezifizierung im Fürsichsein, wo das Andere verloren geht. Allerdings ist dies eben nur dadurch möglich, dass das ‚Etwas und Andere’ im Fürsichsein zum gleich-gültigen Moment herabgesetzt wurde, d.h. durch Abstraktion.

Die Zahl enthält sowohl die Anzahl als diskrete Eins, d.h. Vielheit (früher Repulsion), als auch die Einheit als kontinuierliches Zusammen von Vielem (früher Attraktion). Dies eröffnet die Möglichkeit neuer Ausfaltungen des Begriffs im quantitativen Verhältnis – der Grad und das Mass.

Der erste Versuch der Ausfaltung der Zahl, ihre Bestimmtheit oder Begriff zu erlangen, ist der Grad. Der Grad ist ein diskretes oder intensives Fürsichsein, das jedoch sein Extensives in einem äusserlichen Verhältnis hat, d.h. die Bestimmtheit des Grades ist ausser ihm in einem schlechthin Anderen. Die Zahl, welche die Negativität an sich selbst hat und damit wahrhafte Unendlichkeit ist, geht in der Ausfaltung oder Anwendung, in der Suche nach qualitativer Bestimmtheit, notwendigerweise wieder in die schlechte Unendlichkeit fort, da sie eben nur Abstraktion ist. Der Grad hat sein Anderes oder Extensives nicht wahrhaft in sich und kann es somit nicht aus sich heraus gestalten. Er ist nicht der Ausdruck seines Andern, sondern nur eine seiner äusseren Bestimmtheit. Die Voraus-Setzung eines äusseren Seins in der Seinslogik kommt im Grad wieder hervor. Er ist nur Begriff des Seins, nur Gedanke, dem sein Anderes als Äusserlichkeit oder Anschauung gleich-gültig ist.  

Das Mass als der zweite Versuch der Ausfaltung der Zahl ist die Wahrheit oder das Innerlichwerden des quantitativen Verhältnisses. Die Beziehung zwischen äusserem gleich-gültigem Dasein – dem Dasein als Anderes - und dem Quantum als intensives Fürsichsein ist eine innere geworden, oder anders ausgedrückt: das Quantitative als Beziehung auf sich – als Fürsichsein – ist in seinem Äusseren manifest geworden, gibt ihm Bestimmtheit als sein Wesen.

Die innere Beziehung zwischen dem Dasein als Anderes und dem Quantum als intensives Fürsichsein ist jedoch noch eine unmittelbare. Als solche ist sie weiterhin der Äusserlichkeit des Daseins ausgesetzt und damit der Zufälligkeit. Die qualitative Bestimmtheit oder Regel (Wesen) des Seins geht so wieder in einen unendlichen Progress, eine schlechte Unendlichkeit über, in welchem das Mass, die Regel des Seins, durch die Entwicklung des Seins, seine quantitative Vermehrung und Verminderung, unberührt bleibt und/oder die Regel selbst zufälligen, d.h. unmittelbaren Änderungen unterworfen ist. Die qualitative Bestimmtheit durch das Mass bleibt unbestimmt. Das Sein als Anderes ist in ihm nicht aufgehoben, sondern bleibt selbständiges Äusseres und damit unbestimmt. Unmittelbare Innerlichkeit ist unmittelbare Äusserlichkeit, Inneres und Äusseres sind noch nicht wahrhaft vermittelt.  

Der sich ergebende unendliche Progress erfordert eine erneute Einfaltung des Begriffs. Sie bezeichnet gleichzeitig den Übergang in die Logik des Wesens, in welcher die Voraussetzung eines unabhängigen Seins als Kriterium der Wahrheit aufgegeben wird. Dieser Übergang ist insofern notwendig, als nur so dem skeptischen Einwand einer ins unendliche fortgehenden Bestimmung des Seins entgangen werden kann. Innerhalb der Seinslogik sind keine erfolgversprechenden weiteren Begriffsbildungen für die Vermittlung des Begriffs mit seinem Andern möglich. Die Voraus-Setzung der Seinslogik muss deshalb aufgehoben werden, was gleichbedeutend ist mit der Setzung des Seins als Schein und der Absolutsetzung des Begriffs als subjektive Identität. Ging die Seinslogik von der Wahrheit der Objektivität oder Äusserlichkeit des Seins in die Wahrheit der Subjektivität oder Innerlichkeit des Begriffs über, so wird es die Aufgabe der Wesenslogik sein, den umgekehrten Weg zu beschreiten bis die vermittelte Einheit beider daraus hervorgehen kann.

In der erneuten Einfaltung des Begriffs als Ausgangspunkt der Logik des Wesens ist das Absolute das mit sich Identische geworden, d.h. das Wesen ist reflektierte Beziehung auf sich und damit identisch mit sich. Es ist wichtig zu erkennen, dass die Einheit von Sein und Denken Insich-Sein geworden und damit nicht einfach eine Abstraktion vom Sein entstanden ist, wie das bei der Verstandesidentität der Fall ist, die das Andere des Begriffs als unabhängige Grösse weiterbestehen lässt. Das Wesen als Absolutes – gerade weil es Absolutes ist - muss deshalb sein Anderes, sein Nicht-Identisches aus sich heraus hervorgehen lassen, ist nicht einfach eine Abstraktion vom Sein, sondern lässt dieses in ihm Aufgehobene in neuen Begriffsbildungen entstehen, die auseinander hervorgehen, jedoch nicht länger als einfaches Übergehen unter Verlust des vorhergehenden Begriffs wie in der Logik des Seins (z.B. Dasein – Fürsichsein), sondern als ständig sich vermittelnde Entgegensetzung und Einseitigkeit (z.B. Grund – Existenz). Im Prozess der Vereinseitigung werden die Entgegensetzungen stufenweise aufgehoben bis sie im daraus entstehenden Begriff selbst, der Einheit von Sein und Wesen, bewältigt werden können.  

Die Negation des Wesens – sein Nicht-Identisches – geht somit als Beziehung, Unterschied, Gesetztsein, Vermitteltsein hervor, die nun explizit zum Thema der Logik werden und nicht länger als Qualitatives, Bestimmtheit, Grenze, Anderssein (Negation des Seins), Endliches und Unendliches nur implizit behandelt werden. Damit wird die Logik des Wesens gleichzeitig eine kritische Hinterfragung der Denkgesetze, die von der formalen Logik und der neuzeitlichen Erkenntnistheorie als formale Entitäten, als Ding an sich, unabhängig vom Inhalt behandelt werden.

Das Wesen ist Insichsein gewordenes Sein, das sich auf sich Beziehende. Das Absolute ist damit die Einheit von Identität und Unterschied geworden. Aus dieser Einheit geht es nun nicht mehr heraus und der Unterschied setzt sich als Abstossung von sich selbst. Es geht somit jetzt um die Vermittlung zwischen der Identität des Wesens und seinem gesetzten Unterschied. Es ist nicht mehr der Philosoph, der die Vermittlung im Nebeneinander von Sein und Anderssein führt, sondern das Wesen selbst, das Insichsein gewordene Sein. Damit ist die Vermittlung im Begriff selbst erreicht, allerdings nur an sich, da das subjektive Moment noch nicht explizit die Vermittlung übernimmt, sondern die Wirklichkeit immer noch als objektiv vorgegeben nimmt. Erst wenn die Wirklichkeit in den an und für sich seiendern Begriff zurückgegangen ist, kann der Begriff seine Objektivität selber setzten, die Absolutheit der Liebe in ihrem Andern.

Das Wesen als Reflexion in sich setzt als ersten Begriff der Vermittlung von Identität und Differenz den Begriff des Grundes - die erste Ausfaltung des Begriffs in der Wesenslogik. Dabei wird der Widerspruch der beiden aufgehoben in einem Dritten, sie werden zu Momenten des Grundes. Diese Entwicklung entspricht dem Werden, das die beiden Momente des Seins und des Nichts in sich vermittelt und ihnen damit ihre Absolutheit genommen hat. Allerdings ist beim Werden die Vermittlung noch eine äussere, da in der Seinslogik noch keine Einheit der beiden voraus-gesetzt, nur von einer einfachen bestimmunglosen Übereinstimmung von Sein und Nichts ausgegangen werden konnte.

Identität und Differenz jedoch sind im reflexiven Wesen eins geworden, allerdings nur durch die Aufhebung des Seins, das an sich keine Wahrheit mehr hat. Der Grund hat deshalb noch kein 'Dasein', dieses geht aus ihm nur hervor, ist noch nicht seine eigene Tätigkeit und deshalb nur Existierendes. Der Grund bringt die Existenz hervor heisst, dass jener nur als formaler ist, d.h. im Existierendennur implizit oder an sich enthalten ist. Er ist nicht ihre bewegende Ursache oder Kraft oder Zweck, sondern: was existiert, existiert einfach, steht dem Grund gleichgültig gegenüber. Die Gleichgültigkeit der Existenz ist ihre Leblosigkeit. Der Begriff hat sich in die Einseitigkeit der Identität zurückgezogen und die lebendige Differenz ist nur noch aufgehoben in ihr. Diese erneute Einfaltung des Begriffs ist derjenigen des Daseins in der Seinslogik ähnlich, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass der Begriff des Daseins einfach in seine Negation (Qualität) übergeht, während der Begriff der Existenz voraussetzungsgemäss schon in einer wesentlich reflexiven Beziehung steht, hinter die nicht mehr zurückgegangen wird.

Es hat sich ergeben, dass das Existierende oder die Erscheinung in ihrer Bestimmtheit sowohl als die Entgegensetzung selbständiger Existenzen als auch als ihre identische Beziehung in ein und demselben 'Ding' zu begreifen ist, d.h. dass die Unterschiedenen nur in der identischen Beziehung das sind, was sie sind. Im Dasein der Seinslogik war dies noch nicht so. Dort wurde die Qualität lediglich als Negation des 'Dings' (Eins) und umgekehrt verstanden.

Daraus folgt nun eine weitere Ausfaltung des Begriffs, in welcher das Verhältnis der eins gewordenen Reflexion-in-sich (Identität) und Reflexion-in-Anderes (Unterschied) des erscheinenden ‚Dings’ oder Existierenden thematisiert werden muss. Es geht um die Beziehung der von dem Unterschiede unterschiedenen Identität des Erscheinenden. Die Identität muss in dieses Verhältnis treten, da sie ja nicht einfach mehr unmittelbar eins ist mit dem Unterschied (wie Dasein und Qualität in der Seinslogik), sondern selbst reflexiv unterschieden ist von ihrem Unterschied. Nur so kann sie Identität bleiben, andernfalls würde sie einfach unmittelbar ins Anderssein umschlagen, wie dies beim reinen Werden in der Seinslogik der Fall war.

Die beiden Existenzweisen des Existierenden bleiben in einem abstrakten Verhältnis, da beide Weisen für sich in Anspruch nehmen können, die wesentliche Weise zu sein, d.h. sie bleiben im Existierenden in einem Widerspruch, welcher der Reflexion der Erscheinung als Einheit von Grund und Folge notwendig anhaftet und durch abstrakte Begriffsverhältnisse nicht wahrhaft aufgelöst werden kann.

Das auch in der Geschichte der Philosophie erste solche Begriffsverhältnis ist dasjenige von Materie und Form bzw. Gattung und Art. Es gab schon in der Metaphysik von Aristoteles Anlass zur Diskussion, welche der beiden Weisen des Existierenden sein Zugrundeliegendes oder Wesentliches ist. Hegel führt hier die Diskussion weiter, allerdings unter einer neuen Voraussetzung: sie setzt weder die unmittelbare Einheit von Denken und Sein (Aristoteles), noch ihre Dualität (Kant) voraus, sondern ist die Fortsetzung ihrer gegenseitigen logischen Beziehung im Begriff der Erscheinung als die Einheit von Grund und Folge, als ein „für sich Bestehendes, das unmittelbar als ein Anderes, als Vermittlung existiert“, wie es sich aus der bisherigen Begriffsbewegung in der Logik des Wesens (in der das Sein reflexiv, d.h. zum Schein geworden ist) ergeben hat.

Jede Materie (Stoff) ist auch schon geformt und eine Form ist wieder Materie für weitere Formen. Eine letzte Materie als das Zugrundeliegende gibt es somit nicht. Die Suche danach wäre nur ein Progress ins Unendliche, der formal und abstrakt bliebe. Die Form kann auch nicht das Zugrundeliegende sein oder nur abgehoben von der Materie wie in Platons Ideenlehre, allerdings ausserhalb der Erscheinung.

Ein weiterer Versuch der Vermittlung der gegensätzlichen Momente im Existierenden (Reflexion-in-sich, Reflexion-in-Anderes) wird thematisiert in der Beziehung von Ganzem und Teil. Hier handelt es sich einerseits um ein mechanisches Verhältnis, das auch dem Progress ins Unendliche ausgesetzt ist, da jeder Teil wieder ein Ganzes von Teilen ist. Geht man andererseits wie Aristoteles davon aus, dass das Ganze mehr ist als seine Teile, ginge es darum dieses Mehr zu bestimmen, ansonst es abstrakt bleibt. Das Mehr kann aber nur bestimmt werden, wenn über den Begriff der Erscheinung hinausgegangen wird, was das Ergebnis dieser Diskussion sein wird.  

Der Progress ins Unendliche hebt sich auf, wenn die beiden Vermittlungsmomente der Erscheinung nicht mehr als positive und einander aussschliessende Momente, sondern in ihrer negativen Beziehung aufeinander angeschaut werden. Das Verhältnis geht über in die Beziehung von Kraft und ihrer Äusserung. Die Kraft ist das mit sich identische Ganze, das Insichsein; die Äusserung verschwindet, ist die Negation der Kraft, geht dabei wieder in sie zurück und hebt so die schlechte Unendlichkeit auf. Die Kraft und ihre Äusserung sind im Äusserungsprozess eins. Ein und dasselbe setzt sich in unterschiedene Formbestimmtheiten und ist gleichzeitig gleichgültig gegen diese.

Die Kraft ist aber kein Selbständiges, das alle seine Momente in sich aufhebt, und braucht zur Äusserung endliche Bedingungen, die ausserhalb ihrer liegen. Damit ist bei der Erklärung der Äusserung durch Kraft wiederum ein Progress ins Unendliche nicht vermeidbar. Die erscheinende Existenz als solche kann nicht durch sich selbst erhellt werden, sie braucht Vermittlungen ausserhalb ihrer.

Auch dieses Verhältnis der Erscheinung ist somit ein endliches und abstraktes, denn die Vermittlung der beiden Momente ist noch eine unmittelbare und damit von äusseren Bedingungen gesteuerte. Die Identität beider (von Identität und Unterschied) ist nur an sich, muss noch für die beiden Momente selbst werden: Beide Momente müssen für sich die ganze Totalität und damit erst konkrete Identität werden, andernfalls bleibt das Verhältnis ein Inneres der Erscheinung und damit ein Abstraktes.

Das Verhältnis Kraft und ihre Äusserung ist deshalb eine Konstruktion des Verstandes, der die Erscheinung, das erscheinende Existierende, von Aussen betrachtet. Die Erscheinung ist voraussetzungsgemäss noch kein Selbständiges. In der Phänomenologie des Geistes lässt Hegel aus dieser Betrachtung der Erscheinung das Verhältnis von Selbstbewusstsein und Bewusstsein hervorgehen, das an sich die Vermittlung selbständig schaffen kann*): Das Bewusstsein nach Aussen geht ins Selbstbewusstsein (Insichsein) zurück und dieses äussert sich in seinem Weltbezug. Es gibt keine mechanische Trennung mehr und jede Beziehungsrichtung ist immer schon in der Einheit beider, wird als einseitiges Moment darin negiert und aufgehoben. Dieses Verhältnis ist der erste wahrhafte Ausdruck der Unendlichkeit.

*) Übergang von Kapitel III ‚Kraft und Verstand’ ins Kapitel IV ‚Die Wahrheit der Gewissheit seiner selbst’

Die letzte logische Ausfaltung des Begriffs der Erscheinung ist das Verhältnis von Inneres und Äusseres. Die Äusserung der Kraft (das Innere) wird lediglich als ein von sich selbst Abstossen genommen. Die Äusserung ist dann die Vermittlung selbst und kehrt lediglich in sich selbst zurück. Damit aber ist eine Identität der Reflexion-in-sich und der Reflexion-in-Anderes erreicht, d.h. ein mit sich identischer Inhalt oder mit sich identisches Ding der Erscheinung. Das letzte erklärenden Verhältnis der erscheinenden Existenz offenbart somit, dass die Erscheinung nur das zeigt, was im Wesen ist und das Wesen nichts mehr ist, als was sich in der Erscheinung manifestiert (äussert): was innerlich ist, ist auch äusserlich vorhanden und umgekehrt.

Allerdings bleibt eine Diskrepanz zwischen den einander entgegen gesetzten Begriffen des Inneren und Äusseren einerseits und dem mit sich identischen Inhalt als Erscheinung andererseits. Dies rührt daher, dass Begriff, Zweck, Gesetz nur erst innere Anlagen, reine Möglichkeiten der Erscheinung sind, da ihre Identität von Innen und Aussen ja nur eine unmittelbare ist und damit auch unmittelbarer äusserer Gewalt (wie beispielsweise das Selbstbewusstsein) unterliegt. Diese Diskrepanz kann innerhalb der Erscheinung und ihrer Bewältigung in begrifflichen Verhältnissen nicht aufgehoben werden. Der Begriff faltet sich deshalb wieder ein und eröffnet damit neue Möglichkeiten, das Verhältnis der Reflexion-in-sich und Reflexion-in-Anderes, wie es sich in der Logik des Wesens ergeben hat, zu fassen. Die neue Einfaltung setzt die Einheit von Wesen und Existenz, wie sie sich im Resultat der begrifflichen Analyse der Erscheinung als Identität von Innerem und Äusserem ergeben hat. Hegel nennt diesen Begriff die Wirklichkeit, das in der Existenz wirkende Wesen.

Die Einheit von Wesen und Existenz - die Wirklichkeit - ist das Ergebnis von erschöpften Versuchen, Erscheinung unmittelbar in ihrer Wesentlichkeit zu fassen. Man kann Erscheinung nicht unmittelbar begrifflich fassen. Letztlich sind solche Erklärungen immer Tautologien und Progresse ins Unendliche. Allerdings ist die Einheit von Wesen und Existenz wiederum nicht direkt logisch ableitbar, sondern kann nur aus dem systematisch-hermeneutischen Verstehensverfahren, aus der Reflexion im Begriff der Erscheinung, gesetzt werden als neues Sprungbrett für weitere Vermittlungsversuche zwischen den wesenslogischen Begriffen des Identischen und des Unterschieds, des Wesentlichen und seines Scheinens im Andern. Die Wahrheit dieser Setzung geht erst aus der erneuten Ausfaltung des Begriffs der Wirklichkeit hervor.

Mit dem Begriff der Wirklichkeit ist die Einheit von Innerem und Äusserem als erneute Synthese oder Einfaltung des Begriffs in seiner Bewegung gesetzt. Diese Setzung verlangt jedoch nach neuer Vermittlung oder Analyse, da mit dieser Einheit gleichzeitig die absolute Notwendigkeit gesetzt ist. Der Anspruch auf Vermittlung zeigt sich in einer neuen Entgegensetzung, nämlich im Begriff der Möglichkeit, der lediglich implizit im Moment des Inneren der Wirklichkeit enthalten ist und nun explizit werden muss. Es sei daran erinnert, dass Hegels Logik nach seinem eigenen Anspruch den Begriff in seiner Entwicklung zur Freiheit darstellt. Es ist deshalb zu sehen, wie Freiheit begrifflich aus der absoluten Einheit des Inneren und Äusseren entwickelt werden kann.

Das Wirkliche als unmittelbare Einheit von Innerem und Äusserem ist in das Mögliche oder Zufällige übergegangen genauso wie früher das Sein ins Nichts. Das nur Innere ist gleichzeitig das nur Äussere und damit der Zufälligkeit ausgesetzt. Die Zufälligkeit ist das notwendige Moment des Wirklichen, aber so, dass beide Eins geworden und nicht mehr im Verhältnis der Erscheinung oder äusseren Reflexion des Inneren und Äusseren sind.

Die Möglichkeit ist somit Voraus-Setzung der Wirklichkeit und ist im unmittelbar gesetzten Wirklichen als Reflexion in sich aufgehoben, zur realen Reflexion geworden, nicht mehr ein Abstraktum: „Die Reflexion in sich [Möglichkeit] ist im Wirklichen ...... das sich aufhebende Setzen oder Vermitteln“ (§ 95, EL 1817). Dies heisst aber auch, dass die Möglichkeit als Identität mit sich oder Formbestimmung selbst inhaltlich geworden ist, d.h. die Bedingung, der Inhalt, gehört zu ihr, ist ihr nicht mehr äusserlich.

Das unmittelbar Wirkliche ist somit nur als Dynamisches, als Werden in Form der Tätigkeit, als „das unmittelbar Sich-Übersetzen des Innern ins Äussere, und des Äussern in Innere; der Grund als in sich reflektiert, Tätigkeit, und zwar des realen Grunds, der sich zur Wirklichkeit aufhebt, und der zufälligen Wirklichkeit, der Bedingung, deren Reflexion-in-sich und ihr Aufheben zu einer andern Wirklichkeit“ (§ 96, EL 1817). Das inhaltslose Werden am Anfang der Logik ist zum inhaltlichen Werden geworden, als das Schaffen der Form, deren Inhalt lediglich aufgehobene Voraussetzung ist. Sein und Nichts sind in einer ständigen Vermittlung und Aufhebung, aber nicht mehr als verschwindend, sondern als Setzen von Wirklichkeit, welche die beiden Moment als bewegende inhaltliche Kraft in sich hat, weder wie beim Dasein, wo sie auseinanderfallen, noch wie bei der Existenz, wo sie nur in einem äusseren Verhältnis stehen.

Diese Bewegung der Wirklichkeit als Identität von Möglichkeit und Wirklichkeit ist die Notwendigkeit. Im Wirklichsein stehen somit Notwendigkeit und Zufälligkeit nicht einfach einander unvermittelt und lediglich formal gegenüber (wie beispielweise beim fallenden Stein oder in der Willkürherrschaft eines absoluten Herrschers), sondern jedes ist ein Moment des andern und im andern vermittelt, allerdings noch in jeweils unmittelbarer Form. Das bedeutet, zur Notwendigkeit gehören sowohl ein vermittelnder Grund als auch eine unmittelbare Wirklichkeit, d.h. eine zu vermittelnde Zufälligkeit, deren Voraus-Setzung in der Vermittlung aufgehoben wird. Der Grund geht dabei mit sich selbst zusammen und ist im Wirklichsein aufgehoben (§97, EL 1817). Die apodiktische Aussage Hegels „was real ist, ist vernünftig und was vernünftig ist, ist real“ hat hier und nur hier ihre Berechtigung: In der Wirklichkeit ist der vernünftige Massstab aufgehoben enthalten und die Vernunft hat Wirklichkeit, ohne diese sie nur äusseres Sollen wäre, ohne je auf eine Ver-Wirklichung hoffen zu können. Allerding ist diese Einheit von Vernunft und Wirklichkeit in ihrer Notwendigkeit erst gesetzt, noch nicht an und für sich geworden, d.h. das subjektive Moment des Begriffes fehlt noch (Logik des Begriffs).

Es geht jetzt darum, die erneute Ausfaltung des Begriffs als Verhältnisse der Notwendigkeit zu verstehen, die Hegel Substantialitätsverhältnisse nennt, da sie vom Inhalt abhängig sind und nicht lediglich formal sind (§ 94, EL 1817).

 

Fortsetzung folgt

 

Die Wissenschaft der Logik gemäss erster Ausgabe der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundriss von 1817

(in: Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Sämtliche Werke, Jubiläumsausgabe in zwanzig Bänden, Sechster Band, hrsg. von Hermann Glockner, 1927)

Erster Theil: Die Lehre vom Seyn

Zweyter Theil: Die Lehre vom Wesen

Dritter Theil: Die Lehre vom Begriff