Die Bewegung des Begriffs bei Hegel

Hegel

 

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Der Begriff in der Philosophie der Religion
(Zusammenfassung auf der Grundlage der "Vorlesungen über die
Philosophie der Religion I" in TWA Suhrkamp Verlag 16, Einleitung und Erster Teil)
 
 
Einleitung
 
- Hegel untersucht die allgemeine Anschauung, Empfindung, das Bewusstsein, oder
  wie wir es nennen wollen, der Religion. Es geht ihm um die Form als solche und
  ihren Inhalt, d.h. um den Begriff als Beziehung zwischen dem Subjekt und seinem
  Objekt, dem Selbstbewusstsein und dem Absoluten, Gott. Wesentlich ist die Form
  und Gegenständlichkeit der Religion nur zu fassen in ihrem Verhältnis zu anderen
  Formen. Die Philosophie entwickelt somit die Notwendigkeit der Religion als Form
  und Inhalt (an und für sich) im Fortgehen und Übergehen von andern Formen und
  in andere Formen. Dies ergibt gleichzeitig ihre Definition und den Beweis der
  Notwendigkeit ihres Seins.
- Der Philosophie geht es nicht darum Religion in einem Subjekt hervorzubringen.
  Der Mensch ist wesentlich Geist. Dies wird vorausgesetzt und ist dargelegt und
  beweisen durch vorangegangene Entwicklungen des Begriffs in der Natur.
- Der Anfang in der Religionsphilosophie ist die Aufhebung früherer Formen der
  menschlichen Weltbeziehung und ein Insichgehen des Begriffs. Er zieht sich aus
  der Beziehung auf anderes zurück und setzt damit seine Freiheit von jeglicher
  endlicher Bestimmung. Diesem Insichsein muss er Realität, Inhalt,  
  Gegenständlichkeit geben, soll es nicht ein Abstraktum und leer bleiben. Damit
  verbunden sind ein Zurückfallen in die Endlichkeit und Widersprüche zwischen dem
  Unendlichen der Religion und der Endlichkeit des Menschen.
- Die Fortbildung der Religion in der Weltgeschichte ist die Auflösung dieser
  Widersprüche. In der wahren Religion ist der Widerspruch an sich aufgehoben oder
  versöhnt. Allerdings bleibt die Trennung zwischen Selbstbewusstsein und Inhalt als
  autoritativ bestehen. Erst im vernünftigen Staat ist Freiheit gesetzt, verwirklicht, d.h.
  das Selbstbewusstsein hat die seiner Freiheit und Allgemeinheit angemessene
  Objektivität geschaffen.
 

Die Entzweiung der Religion mit dem freien, weltlichen Bewusstsein

 Das unmittelbar fromme Bewusstsein und seine Unterminierung

- Im noch gegensatzlosen Bewusstsein des frommen Menschen ist das übrige
  (weltliche) Bewusstsein dem religiösen Bewusstsein unbefangen unterworfen. Der
  Unterschied wird in die Einheit zurückgenommen.
- Von der weltlichen Seite, d.h. vom endlichen Bewusstsein und seiner
  Gegenständlichkeit her schleicht sich jedoch das Verderben und die Entzweiung in
  das Unendliche Bewusstsein der Religion hinüber.
- Alle Bestimmtheit fällt nun in die eigene Tätigkeit des Bewusstseins und Gott wird
  eingeräumt, dass er alles gemacht hat.
- So treibt auf der einen Seite der Verstand sein Wesen und auf der andern Seite
  herrscht das religiöse Gefühl der Abhängigkeit (unglückliches Bewusstsein).
- Sowohl das (nicht mehr gegensatzlose) Bewusstsein der Frömmigkeit also auch
  das Bewusstsein des vergleichenden Verstandes lassen Gott auf der andern Seite
  ihres Bewusstsein – im religiösen Bewusstsein – unbestimmt und allgemein.
- Das reflexiven Bewusstsein der Frömmigkeit bleibt jedoch nicht in der
  Unbestimmtheit, sondern das Tun und der Wille Gottes werden in bestimmten
  Handlungen, Naturverhältnissen, Ereignissen, Zwecken etc. betrachtet. Aber diese
  Inhalte sind endlich und zufällig verlieren sich sogleich selbst. Damit tritt eine
  Inkonsequenz ein, da Gott das Allgemeine und Notwendige sein soll.
- Die Inkonsequenz wird dann von der weitergehenden Erkenntnis ausgeräumt,
  insoweit die endlichen Zwecke in derselben Erfahrung und Beobachtung als nichtig
  erkannt werden und nicht als Gegenstand des ewigen göttlichen Willens. Die
  Frömmigkeit geht nun von dem allgemeinen Gedanken eines Zweckes und Guten
  aus und subsumiert darunter die vorhandenen Dinge.
- Mit dem Räsonnement auf die Zwecke und Nutzen in der Natur verliert die
  Frömmigkeit ihre Unbefangenheit und Unmittelbarkeit und wird gleichzeitig
  oberflächlich, da es viele Zwecke und Nutzen, aber auch Unzweckmässigkeit und
  Schäden gibt.
- So entsteht in der Frömmigkeit selber eine Entzweiung. Das Allgemeine und
  Besondere können nicht zusammen gebracht werden und die vorausgesetzte
  Allgemeinheit der Zwecke wird unterlaufen. Die Logik des Seins ist an ihr Ende
  gelangt.

 Die Entwicklung des Prinzips der Subjektivität gegen den absoluten Inhalt

- So wird die Frömmigkeit aus dem Räsonnement auf das Seiende als sein
  Verhältnis zu Gott hinausgeworfen und das Denken als Allgemeines muss zuerst
  seine ihm inhärenten Konsequenz und Notwendigkeit der Zufälligkeit des Seins
  entgegensetzen. Damit entwickelt sich das Prinzip des Selbstischen gegen die
  Objektivität des Allgemeinen (Gottes) vollends. Die Logik der reinen Reflexion
  auf das Wesen beginnt: ‚Ich’ bestimmt das Allgemeine allein und setzt das
  Sein zum Schein herunter.
- Die Erkenntnis geht auf das, was ist, auf das Endliche, das es mit den Sinnen
  erfasst, und fasst seine Notwendigkeit im Verhältnis von Ursache und Wirkung,
  Grund und Folge, Kraft und ihrer Äusserung, als Allgemeines der Gattung gegen die
  einzelne Existenz, die in die Sphäre der Zufälligkeit fällt. Damit benimmt die
  Erkenntnis dem endlichen Stoff die Zufälligkeit, ohne ihr ein Recht im Allgemeinen
  und Begriff zu geben. Was eine Sache ist, ergibt sich nach ihrer Wahrnehmung und
  den subjektiven Kategorien, die nur für das Endliche sein sollen und dieses
  determinieren.
- Die Erkenntnis und Wissenschaft interessiert sich für die besonderen Ursachen und
  nicht mehr für die allgemeine Ursache Gottes. Der Grund oder die Ursache wird
  damit selbst zum Endlichen. Die Erkenntnis und Wissenschaft liegt nun ausserhalb
  der Religion.
- Der Gegensatz zwischen dem Bewusstsein in der Religion mit ihrem absoluten
  Inhalt und dem endlichen Bewusstsein ist damit voll ausgebildet:
  Das Bewusstsein in der Religion (Gemüt) ist mit dem Göttlichen erfüllt, aber ohne
  Freiheit, Selbstbewusstsein und ohne Bestimmung, nur als abstrakt Positives.  Es
  ist erkenntnislos geworden. Jede Erkenntnis Gottes ist nur ein Herabziehen in die
  Endlichkeit ohne Bestimmtheit.
  Das Bestimmte hat die Form des Zufälligen, und die Notwendigkeit des
  Zusammenhangs fällt in die Freiheit (Spontaneität) des Subjekts, der Erkenntnis
  allein. Diese Freiheit schafft ein System ohne Gott, das zwar den notwendigen
  Zusammenhang kennt, nicht jedoch den absoluten Zusammenhang.
  Die beiden Seiten des Bewusstseins werden gegeneinander misstrauisch. Damit
  tritt das Bedürfnis einer Ausgleichung oder Versöhnung zwischen dem Gefühl im
  Bewusstsein der Religon und dem weltlichen Bewusstsein als Erkenntnis und
  Intelligenz ein.
- Die Versöhnung muss beiden Seiten gerecht werden, d.h. sie muss auf dem
  absoluten Inhalt bestehen und gleichzeitig die Forderung der Erkenntnis und des
  Begriffs erfüllen, der die endliche Form des Wissens aufheben muss.

Die Versöhnung in der absoluten Religion (Christentum)

- Das Bedürfnis der Versöhnung tritt in der absoluten Religion besonders hervor,
  da sie mit der absoluten Entzweiung der beiden Seiten des Bewusstseins beginnt.
  Die natürliche Einheit des Geistes ist in ihr zerrissen.
- Zuerst ist die Versöhnung nur für den Glauben, indem das Insichsein des Geistes
  ein Anderes ist gegen die Wahrheit. ‚Ich’ in der Trennung ist nicht die Wahrheit, die
  als selbständiger Inhalt der Vorstellung nur gegeben und damit autoritativ ist.
- Aber das Erkennen liegt in der absoluten Religion selbst, da der autoritative    
  Inhalt, der an sich Denken ist, dem Denken des in sich gegangenen ‚Ich’, dem
  Fürsichseienden, dargeboten ist. Das freie Selbstbewusstsein des Einzelnen ist das
  Prinzip der absoluten Religion und des Erkennens.
- Der an sich seiende Gedanke muss sich ausbreiten und die absolute Religion
  gibt so ihrem Inhalt Entwicklung.
- Der Inhalt ist am Anfang in der Form der Vorstellung, in der das Denken nur an sich
ist. Doch die absolute Religion, die die Erkenntnis in sich selbst trägt, hat das
Gefühl des religiösen Bewusstseins dem Wissen und der Reflexion gegenüber gestellt.
Damit tritt der Vorstellung, in welcher der gegebene Inhalt als Wahrheit ist,
  die Form des Wissens gegenüber, was den Zwiespalt der heutigen Zeit ausmacht.
  Hegels Philosophie tritt auf, diesen Zwiespalt zu überwinden.

Eigene Schlussfolgerungen

- Die Überwindung des Zwiespalts kann nur gelingen, wenn sich das in sich gegangene
  an sich freie Selbstbewusstsein seine eigene Welt schafft und den gegebenen Inhalt darin
  sowohl negiert (als autoritativ und absolut) als auch bewahrt (als Denken, Gedachtes, Vermitteltes).
- Die absolute Religion hat den Spaltpilz in sich selbst, d.h. sie ist nur absolut in ihrer
  aktiven Vervollkommnung, die zur Realisierung des in ihr an sich freien     
  Selbstbewusstseins und damit zu ihrer Aufhebung führt.
- Das Absolute ist ein Prozess von Absoluten, die sich jeweils auflösen und in ein anderes
  Absolutes übergehen. Diesen Prozess in seiner reinen begrifflichen Form nennt Hegel Gott,
  der sich in Natur und Geist Wirklichkeit gibt. Fortsetzung