Der Vertrag (§ 72 – 81) § 72 -75- Im Vertrag sind die beiden kontrahierenden Teile unmittelbare selbständige Personen. Es stehen zwei Einzelne in ihrem allgemeinen Willen einander gegenüber, der jedoch gleichzeitig unmittelbar auch besonderer Wille ist.- Der Vertrag geht somit von der Willkür aus, die den identischen Willen nur als gemeinsamer, noch nicht als an und für sich allgemeiner Wille setzt.- Die Willkür kann nur eine einzelne äussere Sache entäussern und zum gemeinsamen Willen machen. Weder die Ehe noch der Staat liegen im Vertragsverhältnis.- Die Sache wird durch den gemeinsamen Willen zum eigentlichen daseienden Eigentum und ist nicht mehr nur Besitznahme. Im Vertrag erscheint das Recht qua gesetzten Eigentums. Das Unrecht (§ 81 – 104) § 81 – 82 Übergang vom Vertrag ins Unrecht oder die Wirksamkeit des Rechts- Im Unrecht treten der an sich seiende Wille, wie er sich im Vertrag gezeigt hat, und der besondere Wille einander gegenüber. Die im Vertrag gesetzte Willkür als gemeinsamer Wille oder als Recht an sich tritt in seine Momente auseinander, die sich nun entgegengesetzt - und nicht mehr wie im Vertrag unmittelbar eins - sind. Damit wird die Erscheinung des Rechts im Vertrag zum Schein und es muss eine Vermittlung eintreten.- Erst im Unrecht macht sich das Recht somit geltend und bekommt auch für sich Wirklichkeit. Durch das Verschwinden des Unrechts in der Vermittlung erhält das Recht die Bestimmung eines Festen und Geltenden.- Im Unrecht setzt sich der besondere Wille oder Schein dem Wesen oder an sich seienden Recht entgegen. In der Vermittlung macht sich das Recht für sich bemerkbar, hebt den Schein des besonderen Willens als unwahr auf und setzt das Wesen erneut in sein Recht. - Die Wirklichkeit des Rechts besteht in seiner Negierung und der Negierung dieser Negierung, d.h. dem zu sich Zurückkommen des Rechts. Nur so erhält sich das Recht in seinem Anderssein, dem Unrecht, und ist wirksam: Wirklichkeit ist das was wirkt und sich in seinem Andern erhält: Das unmittelbare Sein des Rechts an sich ist aufgehoben in der aktiven Vermittlung des für sich seienden Rechts.- In der reinen Erscheinung oder Unmittelbarkeit des Rechts ist auch seine Negation unmittelbar. Damit verwischt sich die Differenz von Recht und Unrecht, oder: „das Unmittelbare ist noch für die [einfache] Negation empfänglich“ (§ 82, Zusatz). Die 3 Formen des Unrechts (§ 83 – 103) - Im Unbefangenen Recht oder der Rechtskollision tritt das Recht zwar für sich auf, aber es ist noch nicht verletzt worden und die Parteien anerkennen beide das Recht für an sich gültig, dem sie den Schein des besonderen Willens gegenüberstellen.- Im Unbefangenen Recht wird die Berechtigung des besonderen Willens in seiner Äusserung in Frage gestellt und dazu das Recht an sich angerufen, das nun aktiv (vermittelnd) werden und in die Bestimmtheit des Einzelfalls übergehen muss. - Im Betrug findet die Verletzung des allgemeinen Rechts statt, d.h. das Recht wird zu einem leeren Dasein und der Betrogene muss versuchen das an sich seiende Recht wieder herzustellen.- Im Betrug wird der subjektive Wille in seiner Äusserung respektiert, nicht jedoch das an sich seiende Recht, das wieder hergestellt werden muss. Die Klage geht somit gegen die Sache als Allgemeine (in ihrem Wert), nicht gegen den subjektiven Willen im Eigentum.- Der Betrug liegt in der Willkür des Vertrags, der vorerst lediglich ein gemeinsamer Wille ausdrückt, wobei das Recht dem Scheine ausgesetzt ist.- Die Gegenüberstellung des Wesens des Rechts gegen seinen Schein ist die Wirksamkeit des Rechts im Betrug, das jetzt nicht mehr an sich anerkannt ist, sondern seine Anerkennung erstreiten muss. Das Wesen kann sich nur gegen seinen Schein erhalten. Als lediglich Gemeinsames und abstrakt Gültiges ist es nur in die Existenz gebracht, die jedoch als solche der Willkür ausgesetzt ist und ihre Negation unmittelbar an sich hat. - Im Verbrechen oder Zwang ist sowohl der allgemeine als auch der besondere Wille, d.h. sein an sich seiendes Recht (objektive Seite) als auch das Scheinen des Rechts im besonderen Willen (subjektive Seite) verletzt. - Das Verbrechen verletzt sowohl die an und für sich seiende Person in den drei Momenten des Willens (formelle oder abstrakte Freiheit) als auch die Äusserung ihres Willens im Dasein als Realisierung ihrer Freiheit.- Das Verbrechen oder Zwang geschieht durch den besonderen Willen an einem anderen besonderen Willen. Es geht hier also nicht um den Zwang des Staats, weder im Äusseren (Zwangsabgaben, Militärdienst etc.), wo dieser als Ausdruck der ausgeprägten Sittlichkeit seine Berechtigung bekommt, noch gegen die Innerlichkeit, wo der Staat gar kein Recht hat.- Es ist hier auch nicht die Rede von Zwang gegen den besonderen Willen einer Person, die erst an sich Person ist. Jede Erziehung ist Zwang, der seine Berechtigung hat in der ausgeprägten Sittlichkeit gegen die natürliche Freiheit einer erst an sich freien Person. Die Abarbeitung der nur natürlichen Freiheit, des nur besonderen Willens, ist notwendiger Zwang, da die natürliche Freiheit selbst Zwang ist. § 99 Das Verbrechen als Verletzung des allgemeinen Rechts und die Wiederherstellung des Willens als allgemeiner- Das Verbrechen ist nicht als die Hervorbringung eines Übels, sondern als Verletzung des Rechts zu betrachten, d.h. als die Verletzung von etwas allgemein Gültigen. - Wird die Verletzung des Rechts lediglich als reines Übel betrachten, ist diese nur in ihrer Besonderheit aufgefasst und nicht als Verletzung von etwas Allgemeinem. Die Folge davon ist, dass der Wille nicht als allgemeiner gilt, der wieder hergestellt werden muss, sondern in seiner Besonderheit belassen und bestraft wird. Dies bedeutet eine Verletzung des allgemeinen Willens, die sich in der Theorie und Praxis der permanenten Androhung von Strafen zeigt, welche lediglich als Mittel zur Besserung und Abschreckung dienen.- Das heisst auch, dass das abstrakte Recht der Person erst in seiner Verletzung durch Unrecht manifest wird und nicht permanentes Recht ist, zu dem man zwingen darf (§ 94). Ein solcher Zwang kann erst in der ausgeprägten Sittlichkeit erfolgen und ist dann nicht Zwang eines abstrakten Rechts, sondern Zwang des allgemeinen sittlichen Lebens, in welchem der besondere Wille im allgemeinen Willen aufgehoben ist. Damit hat der besondere Wille seine Allgemeinheit und äussere Freiheit nicht mehr nur unmittelbar und damit nur willkürlich, sondern seine äussere (nur subjektive) Freiheit ist im sittlichen Leben vermittelt und objektiv geworden. ......... § 101 Die Gleichheit von Verbrechen und Strafe in ihrem Wert- Verbrechen und Strafe sind nur nach ihrem Werte, d.h. ihrem Allgemeinen der Verletzung des Rechts des freien Willens gleich, nicht jedoch in ihrer spezifischen Ausprägung.- Die Gleichheit zwischen Verbrechen und Strafe, welche im Begriff des verletzten freien Willens (sei eine Person und verhalte dich gegenüber andern als Person) liegt und die Negation der Negation des Unrechts darstellt, kann nicht die äussere spezifische Art der Bestrafung bestimmen. Die Gleichheit von Unrecht und Strafe ist Gleichheit im Wert, nicht in der Gleichheit der beiden ‚Taten’ (wie bei Gütern, die erst durch den Wert oder Preis ihre Vermittlung und damit Allgemeinheit erhalten).- Die Gleichheit des Wertes achtet den allgemeinen Willen der Person, der wieder hergestellt werden muss, da er durch die Besonderheit des Willens verletzt wurde. Die Zerstörung der Person, beispielsweise durch die spezifische ‚Gleichheit’ von Unrecht und Strafe (z.B. Diebstahl und Hand abhacken), ist selbst das grösste Unrecht eines besonderen Willens. Eine Geldstrafe oder angemessene Gefängnisstrafe achtet die Person und setzt sie wieder in ihren allgemeinen Willen und Wert, während die spezifische ‚Gleichheit’ der Strafe (die nur im Wert gleich sein kann und eben nicht in der Besonderheit) die Person verletzt oder zerstört – nach Hegel das grösste Verbrechen, da es den Menschen in die Unmittelbarkeit und Rohheit zurückversetzt, ihn ent-personalisiert. - Die Bestimmung aber der allgemeinen Strafe (Geldbetrag, Anzahl Gefängnistage) ist Aufgabe des Verstandes und nicht der spekulativen Philosophie. Sie würde in ihrer Willkür und Absolutsetzung des Endlichen gerade das grösste Unrecht gegen die unendliche Person hervorbringen, wie Platons ‚Staat’ zeigt, der gegen die unmittelbare Sittlichkeit und das allgemeine Unrecht gegen die Person im damaligen Griechenland die Gleichheit setzen wollte, diese aber nur abstrakt denken konnte (siehe auch Vorrede zur Philosophie des Rechts, TWA 7, S. 24). Später hat Karl Marx dasselbe getan und damit die Freiheit der unendlichen Person zutiefst verletzt. Fortsetzung