Die Bewegung des Begriffs bei Hegel

Hegel

 

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Die Ausgestaltung des Begriffs im Rechtsstaat
als Idee der Freiheit
(Grundlinien der Philosophie des Rechts)
 
Einleitung § 1-33 
 
§ 1 Die Idee des Rechts
-   Die Idee ist die Einheit von Begriff und seiner Realisierung in Gestaltungen. Der
    Begriff gibt sich in dieser Einheit selber Realität.
-   Die Idee des Rechts ist die Freiheit, die in ihrem Begriff und dessen Dasein zu
    erkennen ist.
-   Freiheit realisiert sich nur im Begriff. Ausserhalb des Begriffs gibt es keine Freiheit,
    sondern nur leblose Existenz und Tod.
 
§ 2 Die Wissenschaft des Rechts und sein Anfangspunkt
-   Die Wissenschaft des Rechts ist ein Teil der Philosophie und hat die Idee des
    Rechts als ihren Gegenstand aus dem Begriff zu entwickeln. Sie muss deshalb
    spekulativ sein.
-   In der Idee des Rechts selbst liegt die Vernunft, die in der Wissenschaft des
    Rechts lediglich zu entwickeln und bewusst zu machen ist: Das Vernünftige ist die
    Freiheit in ihrer begrifflichen Realisierung in Gestaltungen.
-   Der Begriff des Rechts in seinem Anfang ist ausserhalb der Wissenschaft des
    Rechts herzuleiten. Seine Herleitung und Entwicklung fällt in die Wissenschaft des
    subjektiven Geistes und er ist das Resultat dieser Entwicklung.
-   Das positive Recht in seinen einzelnen Bestimmungen kann nicht aus sich selbst
    den begrifflichen Anfangspunkt herleiten, da es als Vernünftiges aus diesem
    Begriff gerechtfertigt werden muss. Andernfalls würden nur Widersprüche
    entstehen aus der Verstandesidentität heraus (z.B. Definition des Menschen im
    römischen Recht, Definition des Staats als Tyrannei oder absoluter Staat).
 
§ 3 Das positive Recht
-   Das positive Recht hat die verstandesmässige Subsumtion der speziellen Fälle
    unter das allgemeine Recht zur Aufgabe. Der Gegenstand oder Inhalt kommt von
    aussen an den abstrakten Begriff heran. Ein spekulatives Vorgehen kann es hier
    somit nicht geben und kann auch nicht gefordert werden.
-   Umgekehrt kann die Philosophie des Rechts über die besondern Fälle und ihre
    allgemeine Behandlung nichts bestimmen, ansonst würde gerade die Idee des
    Rechts, die Freiheit, verletzt, d.h. zur reinen Zufälligkeit und Notwendigkeit.
 
§ 4 Der Wille als Ausgangspunkt des Rechts
-   Der Ausgangspunkt des Rechts und seiner Wissenschaft ist der Wille, dessen
    Substanz und Bestimmung die Freiheit ist.
-   Das Rechtssystem, dessen Hervorbringung die Aufgabe der Wissenschaft des
    Rechts ist, wird aus dem Begriff des Willens entwickelt und setzt so dessen zweite
    Natur – die realisierte Freiheit, die am Anfang nur als Substanz und Bestimmung
    des Selbstbewusstseins ist.
 
§ 5 Das erste Moment des Begriffs des Willens: die reine Unbestimmtheit
-   Das erste Moment des Begriffs des Willens ist die reine Unbestimmtheit, die reine
    Reflexion des Selbstbewusstseins in sich, seine absolute Möglichkeit, die noch von
    keinem besonderen Inhalt, besonderen Dasein beschränkt ist.
-   In dieser reinen Unbestimmtheit ist das Vermögen des Denkens und dasjenige des
    Willens eins. Die reine Unbestimmtheit ist nur in der Einheit der beiden Vermögen,
    andernfalls schon ein an sich gegebenes Dasein unmittelbar vorhanden und damit
    bestimmt ist oder die innere Reflexion als abstraktes Denken sich schon als eine
    bestimmte gegen das Dasein gesetzt hat. In beiden Fällen ist die
    Voraussetzungslosigkeit des Anfangs verletzt.
-   Im ersten Fall wird das gegebene Dasein, in dem der Wille ist, als wahr akzeptiert
    (guter Wille in der Gegenaufklärung), im zweiten Fall setzt das subjektive Denken
    seine Bestimmungen in der Endlichkeit absolut (Freiheit der Leere in der
    französische Revolution). Beide sind verstandesmässige Abstraktionen und keine
    absolute Abstraktion oder reine Unbestimmtheit des Selbstbewusstseins.
-   Der Begriff des Selbstbewusstseins als Einheit von Wille und Denken gibt erst dem
    Selbstbewusstsein die Möglichkeit seine innere Freiheit aus sich heraus zu
    realisieren, ohne fremdbestimmt zu sein durch das Dasein oder die abstrakte
    Reflexion.
 
§ 6 Das zweite Moment des Begriffs des Willens: das Setzen der
     Bestimmtheit
-   Das erste Moment enthält die Freiheit des Willens nur an sich. Damit sie für den
    Willen wird, muss er in Bestimmtheit, Dasein übergehen: der Wille muss
    Unterscheidungen setzen und sich ent-schliessen aus dem reinen Ansichsein.
-   Damit ist das absolute Moment der Endlichkeit oder der Besonderung gesetzt,
    das dem absoluten Moment der Unbestimmtheit entgegensteht.
-   Diese absolute Entgegensetzung wird in einem Dritten Moment aufgehoben, in
    eine neue Einheit gesetzt, die gleichzeitig das Zurückgehen aus der endlichen
    Bestimmtheit in die Unbestimmtheit des Selbstbewusstsein ist, wobei die beiden
    Momente erst in dieser Einheit konstituiert, d.h. konkret geworden sind.
 
§7 Das dritte Moment des Begriffs des Willens: Die Einheit der beiden ersten
    Momente --> Einzelnheit 
-   Mit dem Zurückgehen in die Einheit des Selbstbewusstseins ist Freiheit im
    Selbstbewusstsein gesetzt, d.h. der Wille bleibt weder einfach in seinem Andern
    (fremdbestimmt), noch ist er unbestimmt nur in sich selbst.
-   Damit wird das Andere als Anderes angeschaut und gesetzt und von sich als
    reines Selbstbewusstsein unterschieden, so dass erst dadurch Freiheit entsteht
    und nicht nur eine Abstraktion bleibt.
-   In der Einzelnheit mit ihren drei Momenten (Trinität) ist Freiheit noch formell; der
    an und für sich seiende Begriff ist erst an sich frei. Seine Momente müssen real,
    d.h. als Recht im Dasein gesetzt sein: als Recht der Person an sich, als Recht
    des für sich seienden Gewissens und als Recht des sittlichen Lebens, das die
    ersten beiden Rechte in sich enthält und ausbildet. Die Objektivierung des         
    subjektiven Begriffs des Willens ist die Realisierung seiner formellen Freiheit.
-   In der Einzelnheit ist lediglich das reine Werden in der Einheit von Unbestimmtheit
    und Bestimmtheit gesetzt. Es muss sich jetzt im Dasein objektiv
    werden, will es nicht lediglich ein unmittelbares Umschlagen zwischen seinen
    beiden Momenten bleiben.
 
 
Das abstrakte Recht § 34 – 104
 
§ 34 Der abstrakte Begriff des an und für sich freien Willens
-   Der freie Wille als Einzelnheit - in seinen 3 Momenten unendlich auf sich bezogen -
    hat noch keinen eigenen Inhalt gesetzt.
-   Er setzt sich lediglich negativ gegen das Bestehende, das er als unmittelbar
    vorgefundene Welt sich gegenüber sieht.
-   In dieser seiner Negativität ist er eine abstrakte Identität, die zwar noch
    unbestimmt ist, jedoch gegen die vorgefundene Welt selbst ein Bestimmtes ist,
    nämlich einzelner Wille oder Person mit der Bestimmung ein Bestimmtes zu sein.
 
§ 35 Die Allgemeinheit des für sich seienden oder abstrakten Willens
-   Der für sich seiende einzelne Wille so als Allgemeinheit genommen, dass diese
    noch nicht durch fremde oder eigene vermittelte Inhalte bestimmt ist, ist die an sich
    seiende Person.
-   Fürsichsein und Ansichsein sind in einer unvermittelten Einheit, da noch keine
    inhaltliche Vermittlung der beiden ist: das nur Fürsichseiende ist das nur
    Ansichseiende.
-   In dieser (abstrakten) Allgemeinheit der Person ist jede konkrete   Beschränktheit
    und Gültigkeit negiert. Sie ist die absolute Möglichkeit des reinen
    Wissens und Denkens, das sich aus der Besonderheit und Gebundenheit des
    Bewusstseins in sich zurückgezogen und nur noch sich selbst zum Gegenstand
    hat.
-   Das Einzelne ist unmittelbar das Allgemeine und als solches rechtsfähig.
    Rechtsfähig ist die (abstrakte) Allgemeinheit im Einzelnen.
 
§ 36 Die Rechtsfähigkeit der Persönlichkeit
-   Die Persönlichkeit enthält die Rechtsfähigkeit und macht den Begriff des
    abstrakten oder formellen Rechts aus.
-   „Sei eine Person und respektiere die andern als Personen!“
 
 
Das Eigentum (§ 41 – 71)
 
§ 41 Die äussere Sphäre der Freiheit der Person im Dasein als Unmittelbares
-   Da der an und für sich seiende unendliche Wille die Allgemeinheit der Person   
    in ihrer Unmittelbarkeit und Unbestimmtheit ist, gibt er sich im Anfang Freiheit im
    Äussern, das auch unmittelbar ist und so von ihm Verschiedenes und Trennbares
    – Sache.
-   Das bloss subjektive Moment der Person (Subjekt) hebt sich auf im Äussern, gibt
    sich dort unmittelbar Objektivität, d.h. Dasein, das auch in der Bestimmung der
    Unmittelbarkeit ist.
-   Damit ist die Person als Vernunft, d.h. der subjektive, abstrakte Begriff hat sich
    (noch unmittelbare) Realität gegeben und ist so Idee und vernünftig, d.h. nicht
    mehr abstrakt.
 
§ 42 Die Sache als rechtlose in ihrer Beziehung zur Person
-   Für den subjektiven unendlichen Willen – den freien Geist – ist das von ihm
    unmittelbar Verschiedene sowohl für ihn als auch an sich das Äusserliche: es ist
    an und für sich das Äusserliche.
-   In der sinnlichen Anschauung und Vorstellung des Bewusstseins hingegen ist das
    Äusserliche nur für es, nicht an sich, da es selbst ein Äusserliches ist, nicht an und
    für sich seiender Wille, der sich vom Äussern absolut abgrenzt.
-   Dadurch ist dem subjektiven unendlichen Willen das unmittelbar Verschiedene
    eine Sache, ein Unfreies und Rechloses. Es fehlt dem Verschiedenen die
    Subjektivität und damit die Selbständigkeit.
-   Da das Unselbständige für den subjektiven Willen auch an sich ein in Raum und
    Zeit Äusserliches ist, kann das Verhältnis des Eigentums an der Sache eintreten.
-   In diesem Verhältnis treten dreierlei Arten von Äusserlichkeit auf:
    . Die Sache ist äusserlich gegen den subjektiven Willen (Abgrenzung).
    . Die Sache ist äusserlich der natürlichen Existenz nach und zugleich mir ohne
      Gegensatz angehörig (natürliche Zugehörigkeit).
    . Die Sache ist durch den subjektiven Willen zur Äusserlichkeit herabgesetzt und
      damit veräusserbar. In diesem Verhältnis tritt das Geistige ein: der subjektive
      Wille nimmt das allgemeine der Sache im Denken in Besitz.        
 
.........
 
§ 44 Das Recht des Willens, seinen Willen in die Sache zu legen
-   Da die Sache eine rechtlose ohne eigene Subjektivität ist und damit in sich selbst
    keinen substantiellen Zweck hat, kann der subjektive unendliche Wille als
    Abstraktion von allem unmittelbar Bestimmten seinen Zweck in sie legen.
-   Der subjektive unendliche Wille ist der Idealismus der Wirklichkeit. Er nimmt ihr
    ihre Selbständigkeit und Selbstzweck, und setzt sie als unfreies Moment seines
    Willens. Damit nimmt er der Wirklichkeit ihre Absolutheit.
-   Im Unterschied dazu lässt das Bewusstsein in der empirischen Anschauung und
    Vorstellung dem Äusseren seine Selbständigkeit, da es sich selbst nicht gegen das
    Äussere als unendlich gesetzt hat, sondern in ihm sein absolutes Dasein hat
    und damit selber unfrei bleibt.
-   Andererseits kann der subjektive unendliche Wille nur Einzeldinge in Besitz
    nehmen, er verhält sich nur gegenüber physisch Einzelnem der Wirklichkeit. Das
    Allgemeine darin kann er nur im Denken in Besitz nehmen, das das andere
    Moment des unendlichen Willens ist und als solches erst Eigentum setzt.
 
§ 45 Der Besitz und die Bestimmung des Eigentums
 -  Der Besitz ist durch die äussere Gewalt des unendlichen Willens in seiner
    Besonderheit gekennzeichnet. Im Besitz ist der Wille nur ein Besonderes in seinen
    natürlichen Bedürfnissen, Triebe und der Willkür und macht etwas Besonderes zu
    seinem Eigenen.
-   Erst wenn der subjektive unendliche (allgemeine) Wille sich im Besitze
    gegenständlich wird, d.h. als abstrakter Wille sich gegenständlich gemacht hat,
    ergibt sich die Bestimmung des Eigentums.
-   Das Eigentum als das erste Dasein der Freiheit ist wesentlich Zweck für sich und
    nicht Mittel zu etwas anderem. Als solcher wesentlicher Zweck für sich und
    Allgemeines ist es als Recht gesetzt.Fortsetzung