Die Bewegung des Begriffs bei Hegel

Hegel

 

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Beat Greuter
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Die Ausgestaltung des Begriffs im Rechtsstaat
als Idee der Freiheit
(Grundlinien der Philosophie des Rechts)
 
Einleitung § 1-33 
 
§ 1 Die Idee des Rechts
-   Die Idee ist die Einheit von Begriff und seiner Realisierung in Gestaltungen. Der
    Begriff gibt sich in dieser Einheit selber Realität.
-   Die Idee des Rechts ist die Freiheit, die in ihrem Begriff und dessen Dasein zu
    erkennen ist.
-   Freiheit realisiert sich nur im Begriff. Ausserhalb des Begriffs gibt es keine Freiheit,
    sondern nur leblose Existenz und Tod.
 
§ 2 Die Wissenschaft des Rechts und sein Anfangspunkt
-   Die Wissenschaft des Rechts ist ein Teil der Philosophie und hat die Idee des
    Rechts als ihren Gegenstand aus dem Begriff zu entwickeln. Sie muss deshalb
    spekulativ sein.
-   In der Idee des Rechts selbst liegt die Vernunft, die in der Wissenschaft des
    Rechts lediglich zu entwickeln und bewusst zu machen ist: Das Vernünftige ist die
    Freiheit in ihrer begrifflichen Realisierung in Gestaltungen.
-   Der Begriff des Rechts in seinem Anfang ist ausserhalb der Wissenschaft des
    Rechts herzuleiten. Seine Herleitung und Entwicklung fällt in die Wissenschaft des
    subjektiven Geistes und er ist das Resultat dieser Entwicklung.
-   Das positive Recht in seinen einzelnen Bestimmungen kann nicht aus sich selbst
    den begrifflichen Anfangspunkt herleiten, da es als Vernünftiges aus diesem
    Begriff gerechtfertigt werden muss. Andernfalls würden nur Widersprüche
    entstehen aus der Verstandesidentität heraus (z.B. Definition des Menschen im
    römischen Recht, Definition des Staats als Tyrannei oder absoluter Staat).
 
§ 3 Das positive Recht
-   Das positive Recht hat die verstandesmässige Subsumtion der speziellen Fälle
    unter das allgemeine Recht zur Aufgabe. Der Gegenstand oder Inhalt kommt von
    aussen an den abstrakten Begriff heran. Ein spekulatives Vorgehen kann es hier
    somit nicht geben und kann auch nicht gefordert werden.
-   Umgekehrt kann die Philosophie des Rechts über die besondern Fälle und ihre
    allgemeine Behandlung nichts bestimmen, ansonst würde gerade die Idee des
    Rechts, die Freiheit, verletzt, d.h. zur reinen Zufälligkeit und Notwendigkeit.
 
§ 4 Der Wille als Ausgangspunkt des Rechts
-   Der Ausgangspunkt des Rechts und seiner Wissenschaft ist der Wille, dessen
    Substanz und Bestimmung die Freiheit ist.
-   Das Rechtssystem, dessen Hervorbringung die Aufgabe der Wissenschaft des
    Rechts ist, wird aus dem Begriff des Willens entwickelt und setzt so dessen zweite
    Natur – die realisierte Freiheit, die am Anfang nur als Substanz und Bestimmung
    des Selbstbewusstseins ist.
 
§ 5 Das erste Moment des Begriffs des Willens: die reine Unbestimmtheit
-   Das erste Moment des Begriffs des Willens ist die reine Unbestimmtheit, die reine
    Reflexion des Selbstbewusstseins in sich, seine absolute Möglichkeit, die noch von
    keinem besonderen Inhalt, besonderen Dasein beschränkt ist.
-   In dieser reinen Unbestimmtheit ist das Vermögen des Denkens und dasjenige des
    Willens eins. Die reine Unbestimmtheit ist nur in der Einheit der beiden Vermögen,
    andernfalls schon ein an sich gegebenes Dasein unmittelbar vorhanden und damit
    bestimmt ist oder die innere Reflexion als abstraktes Denken sich schon als eine
    bestimmte gegen das Dasein gesetzt hat. In beiden Fällen ist die
    Voraussetzungslosigkeit des Anfangs verletzt.
-   Im ersten Fall wird das gegebene Dasein, in dem der Wille ist, als wahr akzeptiert
    (guter Wille in der Gegenaufklärung), im zweiten Fall setzt das subjektive Denken
    seine Bestimmungen in der Endlichkeit absolut (Freiheit der Leere in der
    französische Revolution). Beide sind verstandesmässige Abstraktionen und keine
    absolute Abstraktion oder reine Unbestimmtheit des Selbstbewusstseins.
-   Der Begriff des Selbstbewusstseins als Einheit von Wille und Denken gibt erst dem
    Selbstbewusstsein die Möglichkeit seine innere Freiheit aus sich heraus zu
    realisieren, ohne fremdbestimmt zu sein durch das Dasein oder die abstrakte
    Reflexion.
 
§ 6 Das zweite Moment des Begriffs des Willens: das Setzen der
     Bestimmtheit
-   Das erste Moment enthält die Freiheit des Willens nur an sich. Damit sie für den
    Willen wird, muss er in Bestimmtheit, Dasein übergehen: der Wille muss
    Unterscheidungen setzen und sich ent-schliessen aus dem reinen Ansichsein.
-   Damit ist das absolute Moment der Endlichkeit oder der Besonderung gesetzt,
    das dem absoluten Moment der Unbestimmtheit entgegensteht.
-   Diese absolute Entgegensetzung wird in einem Dritten Moment aufgehoben, in
    eine neue Einheit gesetzt, die gleichzeitig das Zurückgehen aus der endlichen
    Bestimmtheit in die Unbestimmtheit des Selbstbewusstsein ist, wobei die beiden
    Momente erst in dieser Einheit konstituiert, d.h. konkret geworden sind.
 
§7 Das dritte Moment des Begriffs des Willens: Die Einheit der beiden ersten
    Momente --> Einzelnheit 
-   Mit dem Zurückgehen in die Einheit des Selbstbewusstseins ist Freiheit im
    Selbstbewusstsein gesetzt, d.h. der Wille bleibt weder einfach in seinem Andern
    (fremdbestimmt), noch ist er unbestimmt nur in sich selbst.
-   Damit wird das Andere als Anderes angeschaut und gesetzt und von sich als
    reines Selbstbewusstsein unterschieden, so dass erst dadurch Freiheit entsteht
    und nicht nur eine Abstraktion bleibt.
-   In der Einzelnheit mit ihren drei Momenten (Trinität) ist Freiheit noch formell; der
    an und für sich seiende Begriff ist erst an sich frei. Seine Momente müssen real,
    d.h. als Recht im Dasein gesetzt sein: als Recht der Person an sich, als Recht
    des für sich seienden Gewissens und als Recht des sittlichen Lebens, das die
    ersten beiden Rechte in sich enthält und ausbildet. Die Objektivierung des         
    subjektiven Begriffs des Willens ist die Realisierung seiner formellen Freiheit.
-   In der Einzelnheit ist lediglich das reine Werden in der Einheit von Unbestimmtheit
    und Bestimmtheit gesetzt. Es muss sich jetzt im Dasein objektiv
    werden, will es nicht lediglich ein unmittelbares Umschlagen zwischen seinen
    beiden Momenten bleiben.
 
 
Das abstrakte Recht § 34 – 104
 
§ 34 Der abstrakte Begriff des an und für sich freien Willens
-   Der freie Wille als Einzelnheit - in seinen 3 Momenten unendlich auf sich bezogen -
    hat noch keinen eigenen Inhalt gesetzt.
-   Er setzt sich lediglich negativ gegen das Bestehende, das er als unmittelbar
    vorgefundene Welt sich gegenüber sieht.
-   In dieser seiner Negativität ist er eine abstrakte Identität, die zwar noch
    unbestimmt ist, jedoch gegen die vorgefundene Welt selbst ein Bestimmtes ist,
    nämlich einzelner Wille oder Person mit der Bestimmung ein Bestimmtes zu sein.
 
§ 35 Die Allgemeinheit des für sich seienden oder abstrakten Willens
-   Der für sich seiende einzelne Wille so als Allgemeinheit genommen, dass diese
    noch nicht durch fremde oder eigene vermittelte Inhalte bestimmt ist, ist die an sich
    seiende Person.
-   Fürsichsein und Ansichsein sind in einer unvermittelten Einheit, da noch keine
    inhaltliche Vermittlung der beiden ist: das nur Fürsichseiende ist das nur
    Ansichseiende.
-   In dieser (abstrakten) Allgemeinheit der Person ist jede konkrete   Beschränktheit
    und Gültigkeit negiert. Sie ist die absolute Möglichkeit des reinen
    Wissens und Denkens, das sich aus der Besonderheit und Gebundenheit des
    Bewusstseins in sich zurückgezogen und nur noch sich selbst zum Gegenstand
    hat.
-   Das Einzelne ist unmittelbar das Allgemeine und als solches rechtsfähig.
    Rechtsfähig ist die (abstrakte) Allgemeinheit im Einzelnen.
 
§ 36 Die Rechtsfähigkeit der Persönlichkeit
-   Die Persönlichkeit enthält die Rechtsfähigkeit und macht den Begriff des
    abstrakten oder formellen Rechts aus.
-   „Sei eine Person und respektiere die andern als Personen!“
 
 
Das Eigentum (§ 41 – 71)
 
§ 41 Die äussere Sphäre der Freiheit der Person im Dasein als Unmittelbares
-   Da der an und für sich seiende unendliche Wille die Allgemeinheit der Person   
    in ihrer Unmittelbarkeit und Unbestimmtheit ist, gibt er sich im Anfang Freiheit im
    Äussern, das auch unmittelbar ist und so von ihm Verschiedenes und Trennbares
    – Sache.
-   Das bloss subjektive Moment der Person (Subjekt) hebt sich auf im Äussern, gibt
    sich dort unmittelbar Objektivität, d.h. Dasein, das auch in der Bestimmung der
    Unmittelbarkeit ist.
-   Damit ist die Person als Vernunft, d.h. der subjektive, abstrakte Begriff hat sich
    (noch unmittelbare) Realität gegeben und ist so Idee und vernünftig, d.h. nicht
    mehr abstrakt.
 
§ 42 Die Sache als rechtlose in ihrer Beziehung zur Person
-   Für den subjektiven unendlichen Willen – den freien Geist – ist das von ihm
    unmittelbar Verschiedene sowohl für ihn als auch an sich das Äusserliche: es ist
    an und für sich das Äusserliche.
-   In der sinnlichen Anschauung und Vorstellung des Bewusstseins hingegen ist das
    Äusserliche nur für es, nicht an sich, da es selbst ein Äusserliches ist, nicht an und
    für sich seiender Wille, der sich vom Äussern absolut abgrenzt.
-   Dadurch ist dem subjektiven unendlichen Willen das unmittelbar Verschiedene
    eine Sache, ein Unfreies und Rechloses. Es fehlt dem Verschiedenen die
    Subjektivität und damit die Selbständigkeit.
-   Da das Unselbständige für den subjektiven Willen auch an sich ein in Raum und
    Zeit Äusserliches ist, kann das Verhältnis des Eigentums an der Sache eintreten.
-   In diesem Verhältnis treten dreierlei Arten von Äusserlichkeit auf:
    . Die Sache ist äusserlich gegen den subjektiven Willen (Abgrenzung).
    . Die Sache ist äusserlich der natürlichen Existenz nach und zugleich mir ohne
      Gegensatz angehörig (natürliche Zugehörigkeit).
    . Die Sache ist durch den subjektiven Willen zur Äusserlichkeit herabgesetzt und
      damit veräusserbar. In diesem Verhältnis tritt das Geistige ein: der subjektive
      Wille nimmt das allgemeine der Sache im Denken in Besitz.        
 
.........
 
§ 44 Das Recht des Willens, seinen Willen in die Sache zu legen
-   Da die Sache eine rechtlose ohne eigene Subjektivität ist und damit in sich selbst
    keinen substantiellen Zweck hat, kann der subjektive unendliche Wille als
    Abstraktion von allem unmittelbar Bestimmten seinen Zweck in sie legen.
-   Der subjektive unendliche Wille ist der Idealismus der Wirklichkeit. Er nimmt ihr
    ihre Selbständigkeit und Selbstzweck, und setzt sie als unfreies Moment seines
    Willens. Damit nimmt er der Wirklichkeit ihre Absolutheit.
-   Im Unterschied dazu lässt das Bewusstsein in der empirischen Anschauung und
    Vorstellung dem Äusseren seine Selbständigkeit, da es sich selbst nicht gegen das
    Äussere als unendlich gesetzt hat, sondern in ihm sein absolutes Dasein hat
    und damit selber unfrei bleibt.
-   Andererseits kann der subjektive unendliche Wille nur Einzeldinge in Besitz
    nehmen, er verhält sich nur gegenüber physisch Einzelnem der Wirklichkeit. Das
    Allgemeine darin kann er nur im Denken in Besitz nehmen, das das andere
    Moment des unendlichen Willens ist und als solches erst Eigentum setzt.
 
§ 45 Der Besitz und die Bestimmung des Eigentums
 -  Der Besitz ist durch die äussere Gewalt des unendlichen Willens in seiner
    Besonderheit gekennzeichnet. Im Besitz ist der Wille nur ein Besonderes in seinen
    natürlichen Bedürfnissen, Triebe und der Willkür und macht etwas Besonderes zu
    seinem Eigenen.
-   Erst wenn der subjektive unendliche (allgemeine) Wille sich im Besitze
    gegenständlich wird, d.h. als abstrakter Wille sich gegenständlich gemacht hat,
    ergibt sich die Bestimmung des Eigentums.
-   Das Eigentum als das erste Dasein der Freiheit ist wesentlich Zweck für sich und
    nicht Mittel zu etwas anderem. Als solcher wesentlicher Zweck für sich und
    Allgemeines ist es als Recht gesetzt.


Der Vertrag (§ 72 – 81)
 
§ 72 -75
- Im Vertrag sind die beiden kontrahierenden Teile unmittelbare selbständige
  Personen. Es stehen zwei Einzelne in ihrem allgemeinen Willen einander
  gegenüber, der jedoch gleichzeitig unmittelbar auch besonderer Wille ist.
- Der Vertrag geht somit von der Willkür aus, die den identischen Willen nur als 
  gemeinsamer, noch nicht als an und für sich allgemeiner Wille setzt.
- Die Willkür kann nur eine einzelne äussere Sache entäussern und zum
  gemeinsamen Willen machen. Weder die Ehe noch der Staat liegen im Vertragsverhältnis.
- Die Sache wird durch den gemeinsamen Willen zum eigentlichen daseienden Eigentum
  und ist nicht mehr nur Besitznahme. Im Vertrag erscheint das Recht qua gesetzten Eigentums.
 
 
Das Unrecht (§ 81 – 104)
 
§ 81 – 82 Übergang vom Vertrag ins Unrecht oder die Wirksamkeit des Rechts
- Im Unrecht treten der an sich seiende Wille, wie er sich im Vertrag gezeigt hat, und
  der besondere Wille einander gegenüber. Die im Vertrag gesetzte Willkür als
  gemeinsamer Wille oder als Recht an sich tritt in seine Momente auseinander, die
  sich nun entgegengesetzt - und nicht mehr wie im Vertrag unmittelbar eins - sind.
  Damit wird die Erscheinung des Rechts im Vertrag zum Schein und es muss eine
  Vermittlung eintreten.
- Erst im Unrecht macht sich das Recht somit geltend und bekommt auch für sich
  Wirklichkeit. Durch das Verschwinden des Unrechts in der Vermittlung erhält das
  Recht die Bestimmung eines Festen und Geltenden.
- Im Unrecht setzt sich der besondere Wille oder Schein dem Wesen oder an sich
  seienden Recht entgegen. In der Vermittlung macht sich das Recht für sich
  bemerkbar, hebt den Schein des besonderen Willens als unwahr auf und setzt das
  Wesen erneut in sein Recht. 
- Die Wirklichkeit des Rechts besteht in seiner Negierung und der Negierung dieser
  Negierung, d.h. dem zu sich Zurückkommen des Rechts. Nur so erhält sich das
  Recht in seinem Anderssein, dem Unrecht, und ist wirksam: Wirklichkeit ist das
  was wirkt und sich in seinem Andern erhält: Das unmittelbare Sein des Rechts an
  sich ist aufgehoben in der aktiven Vermittlung des für sich seienden Rechts.
- In der reinen Erscheinung oder Unmittelbarkeit des Rechts ist auch seine Negation
  unmittelbar. Damit verwischt sich die Differenz von Recht und Unrecht, oder: „das
  Unmittelbare ist noch für die [einfache] Negation empfänglich“ (§ 82, Zusatz).
 
 
Die 3 Formen des Unrechts (§ 83 – 103)

- Im Unbefangenen Recht oder der Rechtskollision tritt das Recht zwar für sich auf,
  aber es ist noch nicht verletzt worden und die Parteien anerkennen beide das Recht
  für an sich gültig, dem sie den Schein des besonderen Willens gegenüberstellen.
- Im Unbefangenen Recht wird die Berechtigung des besonderen Willens in seiner
  Äusserung in Frage gestellt und dazu das Recht an sich angerufen, das nun aktiv
  (vermittelnd) werden und in die Bestimmtheit des Einzelfalls übergehen muss.
 
- Im Betrug findet die Verletzung des allgemeinen Rechts statt, d.h. das Recht wird
  zu einem leeren Dasein und der Betrogene muss versuchen das an sich seiende
  Recht wieder herzustellen.
- Im Betrug wird der subjektive Wille in seiner Äusserung respektiert, nicht jedoch
  das an sich seiende Recht, das wieder hergestellt werden muss. Die Klage geht
  somit gegen die Sache als Allgemeine (in ihrem Wert), nicht gegen den subjektiven
  Willen im Eigentum.
- Der Betrug liegt in der Willkür des Vertrags, der vorerst lediglich ein gemeinsamer
  Wille ausdrückt, wobei das Recht dem Scheine ausgesetzt ist.
- Die Gegenüberstellung des Wesens des Rechts gegen seinen Schein ist die
  Wirksamkeit des Rechts im Betrug, das jetzt nicht mehr an sich anerkannt ist,
  sondern seine Anerkennung erstreiten muss. Das Wesen kann sich nur gegen seinen
  Schein erhalten. Als lediglich Gemeinsames und abstrakt Gültiges ist es nur in die
  Existenz gebracht, die jedoch als solche der Willkür ausgesetzt ist und ihre Negation
  unmittelbar an sich hat.
 
- Im Verbrechen oder Zwang ist sowohl der allgemeine als auch der besondere Wille,
  d.h. sein an sich seiendes Recht (objektive Seite) als auch das Scheinen des Rechts
  im besonderen Willen (subjektive Seite) verletzt.
- Das Verbrechen verletzt sowohl die an und für sich seiende Person in den drei Momenten
  des Willens (formelle oder abstrakte Freiheit) als auch die Äusserung ihres Willens im
  Dasein als Realisierung ihrer Freiheit.
- Das Verbrechen oder Zwang geschieht durch den besonderen Willen an einem anderen
  besonderen Willen. Es geht hier also nicht um den Zwang des Staats, weder im Äusseren
  (Zwangsabgaben, Militärdienst etc.), wo dieser als Ausdruck der ausgeprägten Sittlichkeit
  seine Berechtigung bekommt, noch gegen die Innerlichkeit, wo der Staat gar kein Recht hat.
- Es ist hier auch nicht die Rede von Zwang gegen den besonderen Willen einer Person,
  die erst an sich Person ist. Jede Erziehung ist Zwang, der seine Berechtigung hat in der
  ausgeprägten Sittlichkeit gegen die natürliche Freiheit einer erst an sich freien Person.
  Die Abarbeitung der nur natürlichen Freiheit, des nur besonderen Willens, ist notwendiger
  Zwang, da die natürliche Freiheit selbst Zwang ist.
 
§ 99  Das Verbrechen als Verletzung des allgemeinen Rechts und die
        Wiederherstellung des Willens als allgemeiner
- Das Verbrechen ist nicht als die Hervorbringung eines Übels, sondern als Verletzung des
  Rechts zu betrachten, d.h. als die Verletzung von etwas allgemein Gültigen.
- Wird die Verletzung des Rechts lediglich als reines Übel betrachten, ist diese nur in ihrer
  Besonderheit aufgefasst und nicht als Verletzung von etwas Allgemeinem. Die Folge
  davon ist, dass der Wille nicht als allgemeiner gilt, der wieder hergestellt werden muss,
  sondern in seiner Besonderheit belassen und bestraft wird. Dies bedeutet eine Verletzung
  des allgemeinen Willens, die sich in der Theorie und Praxis der permanenten Androhung
  von Strafen zeigt, welche lediglich als Mittel zur Besserung und Abschreckung dienen.
- Das heisst auch, dass das abstrakte Recht der Person erst in seiner Verletzung durch
  Unrecht manifest wird und nicht permanentes Recht ist, zu dem man zwingen darf (§ 94).
  Ein solcher Zwang kann erst in der ausgeprägten Sittlichkeit erfolgen und ist dann nicht
  Zwang eines abstrakten Rechts, sondern Zwang des allgemeinen sittlichen Lebens, in
  welchem der besondere Wille im allgemeinen Willen aufgehoben ist. Damit hat der
  besondere Wille seine Allgemeinheit und äussere Freiheit nicht mehr nur unmittelbar und
  damit nur willkürlich, sondern seine äussere (nur subjektive) Freiheit ist im sittlichen Leben
  vermittelt und objektiv geworden.
 
.........
 
§ 101 Die Gleichheit von Verbrechen und Strafe in ihrem Wert
- Verbrechen und Strafe sind nur nach ihrem Werte, d.h. ihrem Allgemeinen der Verletzung
  des Rechts des freien Willens gleich, nicht jedoch in ihrer spezifischen Ausprägung.
- Die Gleichheit zwischen Verbrechen und Strafe, welche im Begriff des verletzten freien
  Willens (sei eine Person und verhalte dich gegenüber andern als Person) liegt und die
  Negation der Negation des Unrechts darstellt, kann nicht die äussere spezifische Art der
  Bestrafung bestimmen. Die Gleichheit von Unrecht und Strafe ist Gleichheit im Wert,
  nicht in der Gleichheit der beiden ‚Taten’ (wie bei Gütern, die erst durch den Wert oder Preis
  ihre Vermittlung und damit Allgemeinheit erhalten).
- Die Gleichheit des Wertes achtet den allgemeinen Willen der Person, der wieder hergestellt
  werden muss, da er durch die Besonderheit des Willens verletzt wurde. Die Zerstörung der
  Person, beispielsweise durch die spezifische ‚Gleichheit’ von Unrecht und Strafe
  (z.B. Diebstahl und Hand abhacken), ist selbst das grösste Unrecht eines besonderen
  Willens. Eine Geldstrafe oder angemessene Gefängnisstrafe achtet die Person und setzt
  sie wieder in ihren allgemeinen Willen und Wert, während die spezifische ‚Gleichheit’ der
  Strafe (die nur im Wert gleich sein kann und eben nicht in der Besonderheit) die Person
  verletzt oder zerstört – nach Hegel das grösste Verbrechen, da es den Menschen in die
  Unmittelbarkeit und Rohheit zurückversetzt, ihn ent-personalisiert.
- Die Bestimmung aber der allgemeinen Strafe (Geldbetrag, Anzahl Gefängnistage) ist
  Aufgabe des Verstandes und nicht der spekulativen Philosophie. Sie würde in ihrer Willkür
  und Absolutsetzung des Endlichen gerade das grösste Unrecht gegen die unendliche
  Person hervorbringen, wie Platons ‚Staat’ zeigt, der gegen die unmittelbare Sittlichkeit und
  das allgemeine Unrecht gegen die Person im damaligen Griechenland die Gleichheit setzen
  wollte, diese aber nur abstrakt denken konnte (siehe auch Vorrede zur Philosophie des
  Rechts, TWA 7, S. 24). Später hat Karl Marx dasselbe getan und damit die Freiheit der
  unendlichen Person zutiefst verletzt.
 
 
 
Die Moralität § 104 - 141
 
Der Übergang vom Unrecht in die Moralität
 
§ 104
- Der formelle und unendliche freie Wille hat sich in der einzelnen Sache im äusseren realisiert
  und damit als Person abstraktes Recht gesetzt. Damit ist die an sich freie Person auch für
  sich frei geworden, wobei diese Freiheit eine unmittelbare und äussere ist, da der allgemeine
  an sich seiende Wille im Gegensatz zum einzelnen für sich seienden Wille steht und damit
  der äusseren Zufälligkeit ausgesetzt ist. Noch ist keine innere Vermittlung zwischen dem
  Ansichsein und Fürsichsein realisiert worden.
- Im Verbrechen und seiner Bestrafung kehrt der an sich seiende Wille durch Aufhebung dieses
  Gegensatzes in sich zurück und wird damit selbst für sich wirklich. Das Recht gilt gegen den
  bloss für sich seienden einzelnen Willen und ist durch sein Notwendigkeit wirklich und für sich
  seiend geworden.
- Im abstrakten Recht ist der Wille nur als Persönlichkeit, die nun zu seinem Gegenstand wird.
  Die nur unmittelbare äussere Reflexion wird zur inneren Reflexion, die Freiheit wird subjektiv.
  Damit ist das Prinzip oder Absolute des moralischen Standpunkts gesetzt und die Zufälligkeit
  des Willens ist aus der Äusserlichkeit zurückgekehrt und unendlich in sich seiend geworden.
  Das Recht ist  in das Innere des Willens gekommen und er ist für sich selbst Subjektivität
  geworden: Das Recht des subjektiven Willens hat Existenz bekommen.
 
§ 105
- Die Person als Subjekt stellt sich in seiner Reflexion gegen die Unmittelbarkeit und das
  Ansichsein des Willens.
- Damit ist der subjektive Wille verschieden vom objektiven, an sich seienden Begriff. Die
  normative Kraft ist ins Innere gegangen. Die Subjektivität macht die Bestimmtheit des Begriffs
  aus (Kant).
- Freiheit ist nicht mehr nur als freie Person (z.B. Republikanismus), sondern als freie Innerlichkeit,
  als Realisierung der eigenen Absicht und Zustimmung gegen das objektiv Gegebene, das nur
  noch als Schein Gültigkeit hat.
 
§ 106
- Mit der Subjektivität des Willens ist die Freiheit wirklich geworden. Die Idee der
  Freiheit hat ihre Existenz erlangt. In der Person und seinem strengen Recht war sie
  nur an sich vorhanden als Voraussetzung der subjektiven Freiheit.
- Der für sich seiend gewordene Wille – die Subjektivität – ist unmittelbar und nur an
  sich identisch mit dem an sich seienden oder allgemeinen Willen.
- Der Prozess des moralischen Willens auf dem Boden der Freiheit, der Subjektivität
  ist die Aufhebung der Subjektivität im allgemeinen Willen, so dass der moralische
  Wille nicht mehr nur an sich, sondern für sich identisch ist mit dem allgemeinen
  Willen.
 
§ 107
- Der moralische Standpunkt ist das Recht des subjektiven Willens. Die Subjektivität
  wird damit zur eigenen Bestimmung des Willens und ein Moment des Begriffs der
  Freiheit als Sollen.
- Der moralische Wille muss Realität erhalten, d.h. seine Subjektivität in Objektivität
  umsetzen. Da das Dasein für ihn am Anfang nur Schein ist, setzt er in diesem
  Prozess seine eigene Objektivität, die als allgemeiner Wille Realität bekommen soll.
 
§ 108
- Der Standpunkt des moralischen Willens ist der Standpunkt der Differenz,
  Endlichkeit und Erscheinung des Willens gegen das nur Objektive und Ansichsein,
  das zum Schein herabgesetzt wird.
- Das Selbstbestimmen des Willens auf dem Standpunkt der Moralität ist somit
  Unruhe und Tätigkeit, die erst in der Sittlichkeit identisch ist mit dem Begriff des
  Willens, d.h. dem an und für sich seienden Willen.
- Das Moralische und Unmoralische sind nicht einfach einander Entgegengesetzte,
  sondern das Moralische umfasst den Standpunkt des Moralischen und Unmoralische.
  Erst im Prozess der Subjektivität kann eine Entgegensetzung eintreten, d.h. weder
  früher das abstrakte Recht noch jetzt die Moral sind gesetzte Wegweiser, sondern
  ergeben sich erst in ihrem möglichen Gegenteil.
 
§ 109
- Der subjektive oder moralische Wille ist zu Beginn nur formell, d.h. er enthält die
  Entgegensetzung der Subjektivität und Objektivität. Daraus ergibt sich seine
  Tätigkeit, seinem Begriff gemäss sein Dasein zu bestimmen, d.h. den Inhalt, den
  der subjektive Wille sich gibt, in ein unmittelbares Dasein zu übersetzen.
- Der Wille bleibt in der Entgegensetzung identisch mit sich und setzt seinen Inhalt
  als Zweck und wesentlich, gleichgültig gegen jenen Unterschied der Form
- Die Bestimmung des Willens als unmittelbares Dasein ist Handlung, die lediglich
  formelle Objektivität als Äusserlichkeit überhaupt bekommt.
 
§ 110
- Der Inhalt des subjektiven Willens soll auch in seiner formalen Objektivität meine
  Subjektivität immerfort enthalten.
- Die Tat soll nur gelten, insofern sie innerlich von mir bestimmt, mein Vorsatz, meine
  Absicht war.
- Die formelle Objektivität als Handlung des subjektiven Willens enthält nicht mehr als
  was im subjektiven Willen als das Seinige anerkannt wird.
- Der subjektive Wille will sich in seiner Äusserung, d.h. formellen Objektivität in der
  Äusserlichkeit, selbst wieder erkennen. Seine Subjektivität soll unmittelbar
  seine Objektivität bestimmen.
 
§ 111
- Da der sich nur unmittelbar bestimmende und ins Dasein übersetzende Wille nur
  formelle Objektivität schafft, ist die Übereinstimmung mit der Objektivität als
  Allgemeinheit und Wahrheit nur eine Forderung.
- Es liegt zwar in der Bestimmung des subjektiven Willens, dass er identisch wird mit
  dem objektiven Willen als allgemeiner. Die Übereinstimmung ist jedoch dem Zufall
  überlassen und die formelle Objektivität kann dem an und für sich seienden
  Begriff des Willens (der allgemein geltenden Objektivität) auch nicht angemessen
  sein.
 
 § 112
- Im Zuge der Objektivierung des subjektiven Willens wird die Subjektivität in ihrer
  Unmittelbarkeit aufgehoben und mit sich identische äusserliche Subjektivität in
  einer positiven Beziehung auf den Willen anderer.
- Beim abstrakten oder formellen Recht war nur eine negative Beziehung auf den
  Willen anderer. Auf dem Standpunkt der Moralität wird diese Beziehung positiv und
  ein gestaltbares Sein für Anderes. Es entsteht das Geistige, das ‚wir’, das auch das
  Wohl anderer mit einschliesst, auch wenn dieses dem Zufall der Äusserung der
  Subjektivität überlassen bleibt.
 
§ 113
- Erst die Äusserung des subjektiven oder moralischen Willens ist Handlung.
- Die Handlung enthält 3 Beziehungen:
  . vom subjektiven Willen in ihrem äusseren Dasein gewusst, d.h. in
    Übereinstimmung mit seinem Vorsatz als abstraktes Prädikat des Seinigen und
    seiner Schuld an der Veränderung des Daseins,
  . die Forderung des Begriffs der Identität des für sich seienden subjektiven und an
    und für sich seienden Willens. Begriff und subjektiver Wille als Sollen stehen
    einander gegenüber und die Unmittelbarkeit des Begriffs der Freiheit im Dasein als
    nur negative des formellen Rechts ist damit aufgehoben.
  . positiv auf den Willen anderer gerichtet und damit allgemeinen Willen schaffend.
- Erst in der Handlung des moralischen Willens ist der Begriff der Freiheit als
  Recht der Innerlichkeit real geworden und nicht mehr nur unmittelbar oder
  formell oder negativ als Rechtsperson und ihrer Entäusserung in die Sache.
 
§ 114
- In der Handlung sind drei Seiten zu unterscheiden:
  . das abstrakte oder formelle Recht der Handlung, dass sie Vorsatz des subjektiven
    Willens sei und unmittelbares Dasein bekomme, nicht nur Innerlichkeit bleibe,
  . das Besondere der Handlung als ihr innerer Inhalt, allgemeiner Wert oder Absicht
    des subjektiven Willens einerseits, und ihr Inhalt als besonderer Zweck und
    Interesse im partikulären subjektiven    Dasein, das Wohl, andererseits,
  . der Inhalt als Inneres zugleich in seine objektive Allgemeinheit erhoben – das Gute
    oder absoluter Zweck des Willens.
- In der Sphäre der inneren Reflexion des subjektiven Willens ist das Gute als
  absoluter Zweck und objektive Allgemeinheit mit dem unmittelbaren Gegensatz der
  subjektiven Allgemeinheit des Bösen und Gewissens behaftet. Der Begriff der
  Freiheit ist noch nicht als Vermittlung der objektiven und subjektiven Allgemeinheit
  in der Sittlichkeit gesetzt, sondern zeigt sich im Gegensatz von Innerlichkeit und
  Äusserlichkeit, von Form und Inhalt, von Subjektivität und Objektivität.
- Die sich zeigenden Widersprüche dieser Entgegensetzung ist der Prozess des
  moralischen Standpunktes als Absoluter in den sittlichen Standpunkt, in welchem
  der moralische Wille als Moment aufgehoben ist und die Widersprüche vermittelt
  (nicht negiert) sind.
 
 
Das Gute und das Gewissen
 
§ 129 Das Gute und seine Momente
- Die Idee des Guten enthält in sich aufgehoben die bisherigen Momente
  des abstrakten Rechts oder des an sich freien Willens, des subjektiven Wohls und
  Zwecksetzung, der Subjektivität des Wissen und der Zufälligkeit des äusserlichen
  Daseins.
- Die Idee des Guten ist somit die abstrakte Einheit des Begriffs des Willens, seiner
  Allgemeinheit und Freiheit, und des besondern Wollens, das diese Allgemeinheit
  realisieren will.
- Im an sich freien Willen in der Sphäre des abstrakten Rechts (Begriff des Willens)
  ist der Wille so genommen, wie er unmittelbar besonderer Wille ist.
- Die Einheit des Begriffs des Willens und des besondern Willens ist eine
  vermittelnde als Reflexion des Subjekts auf sein Wohl und die allgemeine
  Glückseligkeit. Damit verliert der Wille seine unmittelbare Besonderheit.
- Das Gute ist nicht ein abstrakt Rechtliches. Sein Gehalt enthält sowohl das Recht
  der an sich freien Person als auch ihr subjektives Wohl.
 
§ 130 Recht und Wohl als Momente des Guten
- Im Guten wird das Wohl des besondern Willens zum allgemeinen Wohl. Das
  abstrakte Recht – die abstrakte Freiheit der Person - und der unmittelbare
  besondere Wille verlieren ihren Absolutheitsanspruch, sind nur noch Momente der
  Idee des Guten.
- Das Gute als Wirkliches und Substanz des besondern Willens hat nun das absolute
  Recht vor dem abstrakten Recht der Person in ihrer Äusserlichkeit und
  vor den besonderen Zwecken des Wohls.
 
§ 131 Die Idee des Guten als Abstrakte
- Das Gute ist die Wahrheit und die Arbeit des besonderen Willens. Ohne den
  besondern Willen kann das Gute nicht realisiert werden und bleibt eine Abstraktion.
- Die Idee des Guten als Einheit des Begriffs des Willens und des besondern Willens
  ist vorerst nur eine abstrakte Idee. Das Gute steht in einer äusseren reflexiven
  Sollens-Beziehung zum subjektiven Willen, der noch nicht dem Guten gemäss
  gesetzt ist, d.h. die Subjektivität selbst ist noch nicht Moment des Begriffs
  geworden (wir sind in der Wesenslogik, noch nicht in der Begriffslogik).
- Desgleichen hat das Gute seine Vermittlung erst im subjektiven Willen und
  seine Realisierung ist dem Zufall unterworfen. Es ist noch nicht der Begriff selber,
  der die Vermittlung übernimmt.
- Das Bestimmen des Guten ist somit der für sich seienden Subjektivität in ihrem
  Verhältnis zur Objektivität überlassen, die sie dem Guten entsprechend zu
  gestalten sucht. Dieses innerliche Bestimmen oder Übergehen des Innern in das
  Äussere der Bestimmtheit ist das Gewissen.
 
.........
 
§ 137 Das formelle und das wahrhafte Gewissen
- Das wahrhafte Gewissen will das, was an und für sich gut ist – das Gute. Dieses
  Wollen äussert sich in festen Grundsätzen, die dem Gewissen für sich objektive
  Bestimmungen und Pflichten sind.
- Von dem Inhalt des Gewissens muss die formelle Tätigkeit des Willens, der als
  dieser keinen eigentümlichen Inhalt hat, unterschieden werden – das formelle
  Gewissen.
- Das objektive System dieser auf dem Standpunkt der formellen Moralität nur für
  dieses Subjekt objektiven Bestimmungen kann erst auf dem Standpunkt der
  Sittlichkeit mit der formellen unendlichen Gewissheit seiner selbst vereinigt und
  vermittelt werden. Erst dann bekommt die Gewissheit des Fürsichseins ihre
  Erfüllung im Ansichsein, ihr Sein.
- Innerhalb des Subjekts selber bleibt diese Vermittlung in einem ständigen
  Widerspruch behaftet, dahingehend, dass die Berufung auf das Selbst unmittelbar
  der von ihm gewollten allgemeinen Objektivität der Grundsätze entgegensteht. 
- Es ist deshalb wichtig, das, was im wahrhaften Gewissen nicht unterschieden ist, zu
  unterscheiden, nämlich das formelle Gewissen von seinen Inhalten, will man anders
  die formelle Subjektivität nicht von Anfang an in einer ihr zufälligen oder fremden
  bestimmten Objektivität festhalten, die sich dann eben auch durch nicht wahrhafte
  Inhalte auszeichnen kann.
- Die Trennung vom wahrhaften Inhalt jeglicher Art ist das Setzen der formellen
  Freiheit der Subjektivität als absolute. Ihre Absolutheit ist erst aufgehoben (negiert
  und bewahrt) in der ihr gemässen Objektivität, der Sittlichkeit.
 
 
Die Sittlichkeit § 142 - 360
 
Einleitung § 142 (141) - 157
 
§ 142 Die Sittlichkeit als Idee der Freiheit
- Die Sittlichkeit ist das lebendige Gute, das im Selbstbewusstsein sein Wissen,
  Wollen und Wirklichkeit im Handeln hat.
- Umgekehrt hat das Selbstbewusstsein seinen bewegenden Zweck im sittlichen
  Dasein, das sittliches Werden und Leben ist.
- In der Sittlichkeit ist die Subjektivität zum Moment des Begriffs der Freiheit
  und damit real geworden. Jedes Moment der Freiheit ist nun sowohl vermittelt als
  auch vermittelnd: Die an sich freie Person in ihrer Besonderheit ist durch das für
  sich freie Subjekt (als Einzelnes und Moralisches) in das Allgemeine des sittlichen
  Lebens vermittelt (Vermittlung der Notwendigkeit des Allgemeinen oder der
  Substanz); das für sich freie Subjekt ist durch das Allgemeine des sittlichen Lebens
  in die an sich freie Person vermittelt (Vermittlung der Bestimmtheit oder
  Besonderung); die an sich freie Person in ihrer Besonderheit vermittelt das
  Allgemeine des sittlichen Lebens und das für sich freie Subjekt (Vermittlung der
  daseienden Freiheit). Jedes Moment ist das Ganze, aber ihre Abstraktheit und
  Unfreiheit als isoliertes Ganzes wird erst in der gegenseitigen Vermittlung
  aufgehoben.
 
§ 143 Die Einheit des Begriffs des Willens und des besonderen Willens
- Im Selbstbewusstsein als Gewissheit und Wissen seiner selbst ist die Einheit des
  Begriffs des Willens an sich und des besonderen Willens nicht mehr eine
  unmittelbare, sondern das Bewusstsein des Unterschieds der beiden Momente der
  Idee der Freiheit ist vorhanden, und zwar so, dass jedes Moment für sich selbst
  die Totalität der Idee ist und sie zur Grundlage und Inhalt hat.
- In der Sittlichkeit sind die Idee des Guten und die Idee des Wahren (Wissens)
  nicht einfach eins geworden, sondern befinden sich in einem Prozess der
  gegenseitigen Realisierung.
 
........
 
§ 148 / 149 Die Bestimmungen des Sittlichen in Beziehung zum Einzelnen als
                 Subjektives
- Die substantiellen Bestimmungen der Sittlichkeit sind einerseits dem Subjektiven
  nicht ein Fremdes sondern Zeugnis seines eigenen Wesens. Andererseits sind sie
  als Objektives vom Subjektiven als das in sich Unbestimmte oder besonders
  Bestimmte getrennt. Diese Trennung zwischen dem Substanziellen und dem
  unbestimmt Subjektiven  ist wichtig, will man dem Subjektiven seine Freiheit in der
  Unbestimmtheit belassen.
- Aus diesem Verhältnis entstehen Pflichten gegenüber dem Substantiellen, die für
  den Willen des Einzelnen bindend sind.
- Beschränkungen bringen diese Pflichten nur gegen die unbestimmte Subjektivität
  bzw. deren abstrakte Freiheit. In der Pflicht befreit das Individuum sich zu
  substantiellen Freiheit und erlangt damit die affirmative Freiheit gegen die Unfreiheit
  der Abstraktion von Freiheit
- Die ethische oder sittliche Pflichtenlehre entspricht der Entwicklung des Kreises der
  sittlichen Notwendigkeit und ist nicht eine isolierte Pflichtenlehre für das in sich
  unbestimmte Subjektive, das erst als solches in sein Recht gesetzt die Entwicklung
  der sittlichen Notwendigkeit hervorbringt und in ihr seine Pflichten als Freies erfüllen
  kann.
 
§ 150 Die Tugend und Rechtschaffenheit
- Die Tugend ist die Reflexion des Sittlichen im individuellen durch die Natur
  bestimmten Charakter, dem Subjektiven. Tugend ist somit die Angemessenheit des
  Individuums an die Pflichten der Verhältnisse, d.h. Rechtschaffenheit.
- Im ausgebildeten sittlichen Zustand ist die Tugend von untergeordneter Bedeutung
  und nur bei Kollisionen wichtig.
 
.........
 
§ 155 Pflicht und Recht in der Sittlichkeit
- Pflicht ist das Recht des Substantiellen der Sittlichkeit
- Durch das Sittliche hat der Mensch insofern Rechte, als er Pflichten hat, und
  Pflichten, insofern er Rechte hat. Im abstrakten Recht der Person hat einer das
  Recht und der andere die Pflicht dieses zu erfüllen, im Moralischen soll nur das
  Recht meines eigenen Wissens und Wollens sowie meines Wohls mit den Pflichten
  geeint und objektiv sein.
- Das Recht des Substantiellen als Pflicht ist vermittelt durch mein Dasein, d.h. mein
  Recht und umgekehrt. Die Pflicht soll für etwas sein, worin der Mensch seine Würde
  und Freiheit hat und das daher sein Dasein, sein Recht ist.
- Recht und Pflicht ergeben sich durch die Interaktion der Menschen im sittlichen
  Leben.
 
 
Zusammenfassung der Bewegung des Begriffs von der Person in die Sittlichkeit

- Die Person als Einheit des allgemeinen und besondern Willens hat ihre Freiheit im
  unmittelbaren Sein --> Recht der Person. Der Begriff ist nur Begriff an sich. Das
  Verbrechen bringt die Wende zum Fürsichsein, da es die Unmittelbarkeit des nur an
  sich seienden Begriffs aufbricht und seine Widersprüchlichkeit und Einseitigkeit
  blossstellt. Der Begriff ist für sich geworden.
- Das Fürsichsein will sich nicht mehr nach dem äusseren Sein richten, sondern das
  Sein soll sich nach seinen Grundsätzen richten (Kantsche Wende) --> Recht der
  Moralität. Das in sich gegangene Sein muss deshalb selber seine Objektivität, sein
  äusseres Sein schaffen, in der es sich erkennen, bei sich bleiben, frei sein kann. Im
  Gewissen stellt sich dann heraus, dass das Fürsichsein als solches dies nicht
  leisten kann, da sich unüberwindliche Widersprüche auftun, denn, „ .... seine
  Berufung nur auf sein Selbst ist unmittelbar dem entgegen, was es sein will, die
  Regel einer vernünftigen, an und für sich gültigen allgemeinen Handlungsweise.“
  (TWA 7, § 137, S. 255).
- Da sowohl die an sich seiende Person in ihrem unmittelbaren äusserlichen Dasein
  als auch das Subjekt in seinem reinen Fürsichsein ihr jeweilig anderes ausserhalb
  und im Widerspruch zu ihrem eigenen Begriff haben, müssen beide in einem dritten
  Begriff vereinigt und aufgehoben werden. Aus dieser Einheit - die Substanz, die
  gleichzeitig Subjekt ist - entwickelt sich die Vermittlung der beiden --> Recht der
  Sittlichkeit. Am Anfang der Vermittlung ist dieser nun an und für sich gewordene
  Begriff wieder ganz unmittelbar oder nur an sich oder implizit. Erst in der
  Entwicklung setzt er seine Momente als Selbständige und Vermittelte. Die nur
  ideelle Freiheit der an sich seienden Person und des reinen Fürsichseins ist als
  wirkliche oder wirkende gesetzt.
 
 
Die Familie § 158 (156, 157) - 181
 
§ 156-157 Die Entwicklung des Begriffs in der Sittlichkeit
- Der Begriff ist in die Einheit seiner Momente, von Einzelnem und Allgemeinen, von
  Subjektivität und Objektivität, von Subjekt und Substanz, von Bewusstsein und
  Substantiellem zurückgegangen. Aus dieser Einheit setzt er seine Momente, d.h. er
  objektiviert sich in der Bewegung durch die Form seiner auseinander gehenden
  Momente.
- Diese Bewegung führt von der unmittelbaren Einheit der Momente – die Familie - in
  den Verlust dieser Einheit, d.h. in die Entzweiung der Moment und das Scheinen
  des (formellen) Allgemeinen im Relativen der Verhältnisse der freien und
  selbständigen Personen untereinander, - die bürgerliche Gesellschaft oder der
  äusserliche Staat - und dann in das substantielle Allgemeine, in welchem die
  andern beiden Stufen der Vermittlung von Einzelnem und Allgemeinem aufgehoben
  sind und ihr wirkliches Recht in den Gesetzen und Einrichtungen des Staates
  bekommen.
 
§ 158 Die Familie
- Die unmittelbare Substantialität der Familie ist bestimmt durch die empfindende
  Einheit, die Liebe. Die Person ist in dieser Einheit nicht für sich, sondern als
  Mitglied einer höheren sittlichen Einheit. Sie gibt sich als isoliert Einzelnes, als
  selbständige Person für sich auf und hat ihre Befriedigung und ihren Zweck im
  Gemeinsamen.
- Da die Einheit der Personen eine empfindende ist, ist die Sittlichkeit in Form des
  Natürlichen und der Inhalt ist nicht das an und für sich vernünftige und dem
  Zufälligen ausgesetzt.
- Es ist ein Widerspruch zwischen der Selbständigkeit der Person und
  ihrer Unterordnung in einer höheren sittlichen Einheit. Die Hervorbringung dieses
  Widerspruchs ist die Liebe, die diesen in der sittlichen Einigkeit der Familie wieder
  aufzulösen sucht. Dass diese Einigkeit nicht gegen die subjektive Liebe als
  Empfindung geltend gemacht werden kann (Zusatz, § 159, S. 309), unterstreicht
  das labile Verhältnis der unmittelbaren natürlichen Vermittlung.
- Die Liebe ist somit der Kitt in der unmittelbaren oder natürlichen Vermittlung von
  Einzelnem und Allgemeinem in der Familie. Sie verliert ihre Bedeutung auf den
  beiden andern Stufen der Vermittlung. Da sie einerseits der Schwankung und
  Zufälligkeit unterliegt, zum andern ihre sittliche Realisierung in der Familie (es
  handelt sich hier um die moderne Kleinfamilie) wirtschaftliche und rechtliche
  Voraussetzungen verlangt, kann die Familie erst nach Realisierung der andern
  beiden Stufen der Vermittlung lebendige Wirklichkeit und Stabilität erlangen.
 
§ 161 Die Ehe
- Die Ehe als unmittelbares sittliches Verhältnis hat das Moment der natürlichen
  Lebendigkeit als Wirklichkeit der Gattung und deren Prozess.
- Dieses nur an sich oder innerliche und damit nur äusserliche Moment des
  allgemeinen natürlichen Gesetzes wird im Selbstbewusstsein in eine
  selbstbewusste Liebe, die Ehe, umgewandelt, das Moment der geistigen
  Lebendigkeit in der Ehe.
- Die Ehe, negativ bestimmt, ist weder nur ein Geschlechtsverhältnis, noch beruht sie
  nur auf einem bürgerlichen Kontrakt, in dem sie zu einem gegenseitigen
  vertragsmässigen Gebrauch verkommt, noch ist sie nur in der Liebe gesetzt, die als
  Empfindung der Zufälligkeit und damit der Unsittlichkeit ausgesetzt ist.
- Die Ehe, positiv bestimmt, ist die rechtlich sittliche Liebe. Daraus ausgeschlossen
  ist das bloss Subjektive.
 
Übergang in die Bürgerliche Gesellschaft
 
- In der Ehe und Familie ist der Begriff in der Einheit seiner Momente, des einzelnen
  und des allgemeinen Willens, realisiert (bestimmt und besondert). Diese Einheit ist
  durch die sittliche Liebe als das die beiden Momente Vermittelnde gesetzt. Es ist
  dies die sittliche Idee in ihrer Unmittelbarkeit.
- In der bürgerlichen Gesellschaft werden die beiden Momente in ihre Selbständigkeit
  entlassen, so dass die Beziehung zwischen ihnen zu einem Reflexionsverhältnis
  (verstandesmässiges Urteil, Schluss) zwischen Einzelnem und Allgemeinem wird.
  Dieses Auseinandergehen in ihre Extreme ist notwendig für die Freiheit und
  Selbständigkeit des besondern Willens.
- Die Zwecke des besonderen Willens und der Zweck der Allgemeinheit treten
  auseinander und es besteht nur noch eine formelle und ‚unsichtbare’ Beziehung
  zwischen den beiden: Das Allgemeine (Wesen) scheint in das Besondere und ist
  deswegen nur noch seine formelle Grundlage, kein unmittelbarer Zweck mehr.
- Dadurch ergibt sich ein Verlust der Sittlichkeit, da die Vermittlung der beiden
  Momente im Regress ins Unendliche stecken bleibt und damit keine
  eigenständige (kreisförmige) Rückkehr ins Sittliche und Vernünftige offen steht.
- Da jetzt das Allgemeine seinen Ausgangspunkt im besonderen Willen hat, muss
  dieser versuchen, das wahre Allgemeine aus sich heraus zu setzen, was ihm in der
  bürgerlichen Gesellschaft nur unvollständig gelingen kann (Polizei, Kooperation).
  Sie geht deshalb in den Staat über und bekommt dort als Moment der Freiheit ihr
  Recht.
 
 
Die bürgerliche Gesellschaft § 182 - 256
 
§ 182 Die Prinzipien der bürgerlichen Gesellschaft
- Die bürgerliche Gesellschaft hat zwei Prinzipien:
  (1) die konkrete Person, welche sich als besondere Zweck ist; jede Person ist sich
            selbst Zweck, alles andere ist ihr nichts.
  (2) die Beziehung zwischen den besonderen Personen, so dass jede durch die
            andere vermittelt und beschränkt ist und sich so geltend macht und befriedigt.
            Die andern sind Mittel zum Zweck des Besonderen, d.h. der Einzelheiten,
            Anlagen, Zufälligkeiten.
- Das Allgemeine ist lediglich Form, welche die Beziehungen der besonderen
  Personen regelt und dadurch nur äusserlich und indirekt in das Besondere der
  Person herein scheint. Das Besondere ist einerseits befreit vom unmittelbaren
  Eingriff, Wirksamkeit des Allgemeinen, zum andern bringt es dieses hervor in der
  gegenseitigen Beziehung, die indirekt auch das Wohl des anderen Besonderen fördert.
- Die bürgerliche Gesellschaft ist somit die Einheit verschiedener Personen, die das
  Allgemeine nur als Gemeinsamkeit gelten lässt. Es wird nicht selbst zum Inhalt und
  Zweck.        
 
............
 
§ 188 Die drei Momente der bürgerlichen Gesellschaft
- System der Bedürfnisse, in welchem die Bedürfnisse des Einzelnen durch seine
  Arbeit und die Bedürfnisse und Arbeit der anderen befriedigt werden.
- Der Schutz des im System der Bedürfnisse enthaltenen Allgemeinen der Freiheit –
  des Eigentums – durch die Rechtspflege.
- Vorsorge gegen die im System der Bedürfnisse zurückbleibenden Zufälligkeiten
  durch Besorgung und Förderung des besonderen Interesses (Zwecke, Mittel) als
  eines Allgemeinen im Sinne des Gemeinsamen: polizeiliche Vorkehrungen,
  Bestimmungen und Aufsicht sowie Zusammenschlüsse zur besseren Verfolgung
  und Durchsetzung der gemeinsamen Interessen (Korporation). Dieses
  Gemeinsame geht im Staat ins konkret Allgemeine über.
 
§ 189 Die Verallgemeinerung des Besondern im System der Bedürfnisse
- Arbeit im Zugriff auf äussere Dinge vermittelt die Subjektivität der besondern
  Bedürfnisse und die Objektivität ihrer Befriedigung. Damit macht sich die
  Allgemeinheit des gemeinsamen Willens im besondern Willen geltend. In der Arbeit
  und Veränderung des natürlich Vorgefundenen ist der besondere Wille im
  Allgemeinen eingebunden und macht sich darin gegenständlich, ohne dabei
  das subjektive Moment des Besonderen zu verlieren. Der besondere Wille realisiert
 
  so seine Freiheit, die er in der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung nicht entwickeln
  kann.
- Das Allgemeinwerden des Besonderen ist das Scheinen des Vernünftigen in die
  Sphäre der Endlichkeit durch die verallgemeinernde Kraft des Verstandes. Der
  Verstandesstaat als bürgerliche Gesellschaft ist somit ein Moment des
  Vernünftigen, ohne das das dieses abstrakt und unvernünftig bliebe.
 
§ 190 Die Momente des Rechts als Momente der Gegenständlichkeit des freien
    Willens
-   Bis jetzt können in der Rechtsphilosophie 4 Momente der Gegenständlichkeit des
    freien Willens unterschieden werden:
    . Die abstrakte Person als Besonderung des allgemeinen Willens in der Sphäre der
            Äusserlichkeit (Eigentum, Veräusserung des Besitzes, Vertrag etc.)
    . Die Innerlichkeit als die abstrakte Äusserung der Moralität, in der das Subjekt
            sein Gewissen als Massstab seines Handelns setzt
    . Das Familienmitglied, dass seinen besondern individuellen Willen zugunsten des
            Gemeinschaftlichen aufhebt.
    . Der Mensch als Konkretum der Vorstellungen und des Verstandes auf dem
            Standpunkt der Bedürfnisse, die er in der bürgerlichen Gesellschaft zu
            realisieren sucht und den er in ihr zu einem unendlichen System der
            Bedürfnisse und Mittel entwickelt.
 
§ 191 Die Partikularisierung, Vermehrung und Verfeinerung der Bedürfnisse
         und der Mittel für ihre Befriedigung
- Das System der Bedürfnisse und Mittel ihrer Befriedigung ist eine ins Unendliche
  fortgehende Vervielfältigung der Bedürfnisse und Mittel.
- Das Bedürfnis entsteht nicht mehr auf unmittelbare Weise, sondern wird durch
  solche hervorgebracht, die durch sein Entstehen einen Gewinn suchen.
- Die Vervielfältigung wiederum erfordert verfeinerte Unterscheidungen und
  Beurteilung der Mittel zu ihren Zwecken. Vervielfältigung ist gleichzeitig
  Verfeinerung und entreisst das Bedürfnis der Unmittelbarkeit, was eine
  Voraussetzung von Freiheit ist.
- Vervielfältigung und Verfeinerung führen zur Grenznutzenbetrachtung, die eine
  Diversifikation der Bedürfnisbefriedigung zur Folge hat und die natürliche einseitige
  Begierde hemmt.
 
§ 192 Die Vermittlung des Partikularen in der Gesellschaft
- Die Bedürfnisse und Mittel ihrer Befriedigung als reelles Dasein werden Sein für
  andere. Damit ist die gegenseitige Abhängigkeit aller von allen gegeben.
- Das Erzeugen von Bedürfnissen und der Mittel ihrer Befriedigung erfordert die
  allgemeine gegenseitige Anerkennung der Arbeit und ihrer Produkte.
- Damit wird die isolierte Partikularität, Vereinzelung und Abstraktion des Einzelnen
  ins Allgemeine vermittelt und mit ihm versöhnt.
- Da das Allgemeine nur ein formales Allgemeines ist, das durch die Abstraktion der
  Bedürfnisse und Mittel als Wert gesetzt ist, bleibt die Partikularität als Moment der
  Freiheit erhalten und wird nicht von einem unmittelbar Allgemeinen inhaltlich
  bestimmt (List der Vernunft).
- Alles Partikulare ist somit Gesellschaftliches: Das Partikulare kann nur im
  Gesellschaftlichen zum Dasein gelangen und das Gesellschaftliche ist erst durch
  das Partikulare konstituiert.

§ 209 Reflexion in sich der Wechselbeziehung von Bedürfnisse und Arbeit
- Das Relative der Wechselbeziehung von Bedürfnis und Arbeit hat die Reflexion in
  sich in der unendlichen Persönlichkeit, die sich im abstrakten Recht Dasein gibt.
- Die Reflexion der Sphäre des Relativen in sich ist jedoch nur als Bildung, die erst
  das abstrakte Recht zu einem allgemein Anerkannten, Gewussten und Gewollten
  macht und so als Vermitteltes zur Geltung und objektiven Wirklichkeit bringt.
- Bildung ist Denken als Bewusstsein des Einzelnen in Form der Allgemeinheit. Darin
  wird Ich als allgemeine Person, als unendliche Persönlichkeit aufgefasst, worin Alle
  identisch sind, unabhängig von der Herkunft, Rasse, Glaube, Sprachgruppe,
  Volkszugehörigkeit etc.: „Dies Bewusstsein, dem der Gedanke gilt, ist von
  unendlicher Wichtigkeit, ....“.
- Das Recht kommt somit aus dem Begriff, d.h. der Bestimmung der unendlichen
  Person in ihrer Einzelheit und Partikularität. In die Existenz tritt es jedoch nur, weil
  es für das System der Partikularität und Bedürfnisse sowie den Schutz des
  Besonderen notwendig ist, d.h. die Gesetze werden erst gebildet „nachdem die
  Menschen sich vielfache Bedürfnisse erfunden haben und die Erwerbung derselben
  sich in der Befriedigung verschlingt“. Wie und aus welchen Gründen etwas in die
  Existenz tritt, ist nicht zu verwechseln mit seinem Begriff, den es in einem neuen
  Ganzen als Moment bekommt.
 
§ 229 Übergang vom abstrakten Recht der allgemeinen Person in ihrer
         Besonderheit ins Recht des Wohls des Einzelnen in seiner Besonderheit.
- Im System der Bedürfnisse hat sich die Idee des Rechts in der Besonderheit
  verloren und ist in die Trennung des Innern (formales oder an sich seiendes
  Allgemeines) und Äussern (Partikularität, subjektive Besonderheit) auseinander
  gegangen. Damit ist die Allgemeinheit nur Notwendigkeit, die der Zufälligkeit der
  subjektiven Besonderheit entgegensteht.
- In der Rechtspflege führt die bürgerliche Gesellschaft die beiden Momente in ihre
  Einheit, d.h. in ihren Begriff zurück, allerdings die subjektive Besonderheit lediglich
  im Einzelfall und das Allgemeine lediglich in der Bedeutung des abstrakten Rechts,
  das sich nicht um das allgemeine konkrete Wohl des Einzelnen in seiner
  Besonderheit kümmert, sondern lediglich negativ auftritt zum Schutz von Person
  und Eigentum. Dem abstrakten Recht oder Recht als solchem ist somit das Wohl
  nur ein Äusserliches.  
- Das Wohl des Einzelnen in seiner Besonderheit erfordert die Realisierung des
  konkreten Begriffs, d.h. der Vereinigung der beiden Momente „in der Ausdehnung
  auf den ganzen Umfang der Besonderheit“. Die relative Vereinigung macht den
  Begriff oder die Bestimmung der Polizei aus, die konkrete, wenn auch noch
  beschränkte Totalität den Begriff oder die Bestimmung der Kooperation.
- Im System der Bedürfnisse ist das Recht des besonderen Wohls neben dem Recht
  der allgemeinen Person eine wesentliche Bestimmung in der Entwicklung des
  Begriffs, d.h. der Bestimmungen des Rechts. Das Recht des besonderen Wohls
  umfasst die Sicherung der Subsistenz (Lebensunterhalt, Auskommen und des
  Wohls des Einzelnen.
 
 
 These 2 zum Staat (§ 261): Einzelnes – substantielles Allgemeines
 
1) Nicht leicht verständlich, weil noch abstrakt
    These etwas unstrukturiert und missverständlich.
    Lesen des Ausgangspunkts mit kurzem Kommentar
 
2) Ausgangspunkt lesen
    Einige Zitate ergänzen und lesen.
 
3) 1. Staatsform oder Regierungsform (rein genommen) à Montesquieu
    -   Lesen Seite 408, 2 Passagen
    -   Absolute Identität von Pflicht und Recht. Nur dadurch gilt: Der Einzelne hat nur
        Pflichten, das Substantielle nur Rechte (siehe Ausgangspunkt).
    -   Pflicht im Staat tätig zu sein, seine Zwecke der Freiheit fördern.
    -   Dann gleichzeitig Recht als Bürger persönliche Freiheit zu haben
    -   Formelle Unterschiede sind da. An verschiedene Stellen des organisierten
        Staates tätig sein.
    -   Man kann hier von einer republikanischen Staats- oder Regierungsform
        Sprechen (Athen, Rousseau)
    -   Primat des Politischen über das Wirtschaftliche
 
4) 2. Staatsform oder Regierungsform
    -   Lesen S. 408 / 409
    -   Ausdifferenzierung des Staates. Er verliert seine Absolutheit
    -   Hegel spricht von konkreter Idee, die den Unterschied des Inhalts von Pflicht
        und Recht hervorbringt.
    -   Nicht mehr abstrakte Identität von Pflicht und Recht, sondern konkrete Identität
    -   Zu verfolgende Zwecke und Tätigkeit liegen jetzt in der Familie und bürgerlichen
        Gesellschaft, die aus dem Staat ausgegliedert wurden und ihre eigene
        inhaltliche Rechte haben und entwickeln. Staat selbst ist nur noch Moment.
    -   Pflicht des Staats ist es jetzt diese zu schützen und zu fördern.
    -   Dadurch kann es zu systemimmanenten Kollisionen zwischen dem Recht des
        Einzelnen und Pflicht gegenüber dem Staat. Nicht mehr unmittelbar im Staat
        tätig, sondern „die unterschiedenen Momente zu ihrer eigentümlichen Gestalt
        und Realität gekommen“.
    -   Nicht mehr unmittelbar für Staat tätig, der zu diesen Momenten in Widerspruch
        geraten kann à Vermittlung erforderlich (im nächsten Teil zum Staat)
    -   Trennung von Politik und Wirtschaft. Es muss dann ein Gleichgewicht zwischen
        den Momenten gefunden werden:
        Pflicht als Bürger des Reststaats: sein Allgemeines zu fördern und entwickeln
        (Gesetze, Steuern etc.); Recht des Bürgers, seine einzelnen Zwecke zu fördern
        ohne unnötigen Einschränkungen.
 
5) Hegel spricht in diesem § auch über Pflicht und Recht im Privatrechtlichen und
    Moralischen.        
    -   Im Unterschied zu den Beziehungen im Staat, fehlt hier „die wirkliche
        Notwendigkeit der Beziehung“.
    -   Nur abstrakte Gleichheit: alle sind vor dem Gesetz gleich, die moralische
        Integrität des einzelnen Subjekts und die Freiheit und Gleichheit der Person wird
        vom Staat garantiert. Aber erst in den wirklichen Beziehungen im Staat
        (allgemein) treten Unterschiede und damit Ungleichheiten auf.