Die Bewegung des Begriffs bei Hegel

Hegel

 

Zum Autor

Beat Greuter
Holzgasse 3
CH-8001 Zürich

Tel/Fax: 0041442011443

<greuterb@bluewin.ch>

 

  Zur Homepage

 

 

 

Der Begriff in der Phänomenologie des Bewusstseins

Der Begriff ist die Arbeit der Vermittlung seiner mit seinem Andern im Dasein - der Substantialität - des gegenständlichen oder natürlichen Bewusstseins. Dabei geht das Einzelne aus seiner Besonderheit ins Allgemeine über und das Allgemeine wird dem Einzelnen ein Konkretes und Realisiertes. Ein bestimmtes natürliches Bewusstsein ist durch seine spezifische Art der Vermittlung gekennzeichnet und durch das, was es dabei als Wesen (als Wahres) ansieht. Es macht darin seine negative Erfahrung, die zu einer neuen Form des natürlichen Bewusstseins führt. Die Übergänge von einer natürlichen Form zu einer andern stellen die Entwicklung des Begriffs im erscheinenden Bewusstsein (Wissen) dar. Sie werden vom Philosophen begleitet, der die einhergehende Erfahrung des Bewusstseins auswertet und dabei die Formen gemäss Fortarbeit der begrifflichen Vermittlung in ihrer notwendigen Reihenfolge erfasst und darstellt. Die Fortarbeit ist das Offenlegen des Begriffs des Geistes, seines Wissens um sich, seines Logos, der in der Substantialität des Bewusstseins nur erst an sich ist und durch die Fortarbeit für es werden muss.

 

Die sinnliche Gewissheit oder das Bewusstsein in seiner Unmittelbarkeit  

Die Wahrheit liegt im unmittelbaren sinnlichen Gegenstand
                                                                                                                                                                                                                 Dem zuerst erscheinenden Bewusstsein, das in der Unmittelbarkeit die Wahrheit sucht (denn jede Vermittlung ist schon ein eigenes Hinzutun und damit der Unwahrheit ausgesetzt), ist der einzelne Gegenstand das Wesen (naiver Realismus). Tatsächlich muss es jedoch bei seinen Versuchen einer Bestimmung des Gegenstandes die Einzelheit negieren und sein Wesen ist jetzt die abstrakte Allgemeinheit des Gedankens (dieses als hier, jetzt), dem gegenüber das ursprüngliche Meinen eines Einzelnen stehen bleibt. Die Vermittlung von Einzelnem und Allgemeinen ist somit reine Negation oder Abstraktion, ohne dass es zu einer eigentlichen inhaltlichen Vermittlung kommt.

Die Wahrheit liegt im unmittelbaren sinnlichen Ich 
In dieser sprachlichen Abstraktion wird das Bewusstsein auf sich selbst zurückgeworfen und um die Gewissheit der Unmittelbarkeit von einzelnem Sein aufrecht zu erhalten, nimmt es nun nicht mehr den Gegenstand als das Wesen, sondern das einzelne Ich des Bewusstseins, das den Gegenstand unmittelbar in sich erfasst (naiver Idealismus). Doch auch das Ich ist nur ein allgemeines Dieses, d.h. Sein, Gedanke, in welchem die einzelnen konkreten Ich negiert sind. Auch diese Unmittelbarkeit ist somit schon Vermittlung, bleibt jedoch als solche total abstrakt, da die sinnliche Gewissheit den Gegensatz von Einzelnem und Allgemeinen nicht inhaltlich vermitteln kann, sondern sie aus seinem postulierten Erkenntnisprinzip (wahr ist das unmittelbare Einzelne) heraus nebeneinander stehen lassen muss. 

Naiver Realismus versus naiver Idealismus                                                                                                                                                                                                                                               Naiver Realismus und naiver Idealismus laufen deshalb auf ein und dasselbe heraus – auf einen Gegensatz von Einzelnem (Beispiel) und Allgemeinen, von Unmittelbarkeit und Vermittlung, die nicht wahrhaft (konkret) vermittelt werden können. Das Ergebnis ist Bestimmungslosigkeit des Anfangs, der jedoch dem Gegenstand und Ich des Bewusstseins gleiches Recht für den Bestimmungs- oder Wissensprozess lässt. Keiner der beiden Seiten des Wissens wird von allem Anfang an eine Priorität eingeräumt. Es ist der Prozess ihrer gegenseitigen Beziehung, der Wissen und Wahrheit hervorbringt. Damit ist die Darstellung des Wissensprozesses sowohl von der Einseitigkeit der Abhängigkeit des Wissens vom vorgegebenen Gegenstand (vor-kantische Metaphysik) als auch von der Einseitigkeit der nur formalen Freiheit der Setzung durch das Ich (Fichte) befreit. Ontologie und Epistemologie sind nicht mehr getrennte Wege zur Wahrheit, sondern beschreiten diesen Weg in ihrem systematischen Zusammengehen.

Erstes Fazit

Das unmittelbare Bewusstsein verwickelt sich bei seiner Bestimmung des Wesens in einen unlösbaren Widerspruch und ist deshalb in ein ständiges Hin- und Hergehen zwischen den beiden Behauptungen (unmittelbares Einzelnes als Gegenstand oder Ich  – abstrakt Allgemeines als dieses, hier und jetzt) über das, was das Wesen ist, verwickelt. Es ist so in seiner Abstraktion schon wesentlich vermittelt, ohne dabei eine Bestimmung des Gegenstandes selbst geben zu können, wozu eine inhaltliche Vermittlung erforderlich wäre, d.h. ein Eingehen auf den Gegenstand als allgemeiner. Dies bewerkstelligt erst die Wahrnehmung.

Die Wahrheit der sinnlichen Gewissheit liegt im Werden des räumlich- zeitlichen Kontinuums
Nimmt sich die sinnliche Gewissheit als unmittelbare (sinnliche) Anschauung und lässt sich nicht auf den obigen Gedankengang der Abstraktion und des ständigen Hin und Her der Wesensbehauptung ein, dann wird sie zu einem reinen Werden, das gleichfalls ohne inhaltliche Bestimmtheit des Wesens des Gegenstandes bleibt, da sein Zeigen auf ihn das unmittelbare Sein immer schon zu einem Gewesenen (Nicht-Sein, Unwesentlichen) macht, das kein Sein mehr ist und deshalb aufgehoben werden muss, um wieder unmittelbares positives Sein zu werden. Auch hier ist eine Vermittlung erforderlich, diesmal aus dem Widerspruch zwischen unmittelbarem Sein und Gewesensein heraus: Die unmittelbare sinnliche Anschauung, die das Wesen des Gegenstandes erfassen soll, ist entgegen ihrer Behauptung eine Vermittlung im abstrakten Gedanken der Zeit. Entsprechend gilt dies auch für das Zeigen auf das räumliche Hier, "das in der Tat nicht dieses Hier ist, sondern ein Vorn und Hinten, ein Oben und Unten, ein Rechts und links" (TWA 3/89). Darin liegt die Erfahrung des Bewusstseins der sinnlichen Gewissheit.  

Übergang ins Bewusstsein der Wahrnehmung

Erst wenn das Hier und Jetzt vom Bewusstsein als viele Hier und Jetzt in der Einheit des Hier und Jetzt wahrgenommen wird, d.h. das Wesen des Gegenstandes als allgemeines (nicht mehr als einzelnes) betrachtet wird, kann eine echte Vermittlung von Einzelnem und Allgemeinen, von Wesentlichem und Unwesentlichem, von Identität und Unterschied stattfinden. Der Übergang dazu vom Bewusstsein der sinnlichen Gewissheit zum Bewusstsein der Wahrnehmung ist ein logisch notwendiger, allerdings nur aus unserer Sicht, aus Sicht des Philosophen. Das natürliche Bewusstsein, das sich der sinnlichen Gewissheit als absolute verschrieben hat, kann diesen Übergang selber nicht leisten und das natürliche Bewusstsein der Wahrnehmung als neues Absolutes weiss nicht, woraus es entstanden ist. Es hat nun zu zeigen, wie es aus dieser sich logisch notwendig ergebenden neuen Bewusstseinssituation heraus das Wesen des Gegenstandes bestimmt.  

Das unmittelbare sinnliche Bewusstsein bleibt in den Abstraktionen von Raum und Zeit verhaftet und muss das Einzelne als sein Wesen ständig darin negieren, ohne es positiv bestimmen zu können. Es muss deshalb in die Bestimmtheit (Dasein) übergehen unter Aufopferung seines Anspruchs auf unmittelbares Erfassen des Ganzen des Gegenstandes. Es nimmt wahr und vermittelt dabei das, was es sinnlich erfasst, ins Allgemeine, das nun das Wesen des Gegenstandes sein soll.

 

Die Wahrnehmung oder das sinnliche Bewusstsein in seinen inhaltlichen Vermittlungsversuchen 

Das sinnliche Bewusstsein der Wahrnehmung setzt die Trennung zwischen dem Ich als Entfaltung und Unterscheidung der Momente des Gegenstandes einerseits, und dem Gegenstand selbst als Einheit dieser Momente andererseits, voraus. Die beiden Seiten fallen daher nicht mehr nur als Ergebnis von Abstraktionen heraus, sondern sind als Gewordene gesetzt. Oder anders ausgedrückt: die unmittelbare Erscheinung der sinnlichen Gewissheit musste wegen ihren sich ergebenden Widersprüchen notwendig in die Bewusstseinsform der Wahrnehmung übergehen, die nun als ihren (wiederum unmittelbaren) Ausgangspunkt die bewusste Trennung zwischen Ich und Gegenstand und zwischen Allgemeinem und Einzelnem setzt.  

Wir verfolgen nun die Erfahrung dieser neuen Bewusstseinform im weiteren Umgang mit ihrem Gegenstand, den sie - als sinnliches Bewusstsein - für das Wahre (Wesen) nimmt. Die Erfahrung wird neue Widersprüche aufdecken, die wiederum erst in einer nächsten Bewusstseinsform gelöst werden können. Darin wird auch das reine Bewusstsein der Wahrnehmung untergehen, in den Ergebnissen seiner Erfahrung jedoch als Moment erhalten bleiben.  

Zuerst wird der Gegenstand als rein Einer für das Wahre (Wesen) genommen. Das wahrnehmende Bewusstsein nimmt jedoch auch die Eigenschaft des Gegenstandes wahr, die ein Allgemeines ist. Damit ist er nicht mehr rein Einer. Das Bewusstsein hatte eine falsche Auffassung des Gegenstandes. Da jedoch der Gegenstand das Wahre für es ist, fällt die Unwahrheit ins Bewusstsein und es muss seine Auffassung dahingehend ändern, dass das gegenständliche Wesen die Allgemeinheit der Eigenschaft ist, d.h. eine Gemeinschaft von Eigenschaft, kein rein Einer.  

Jedoch fasst das Bewusstsein die Eigenschaft nicht nur als Kontinuität eines Nebeneinanders, als Gemeinschaft überhaupt, sondern auch als bestimmte auf. Als bestimmte ist sie Anderes ausschiessend und Anderem entgegengesetzt. Wiederum hat das Bewusstsein das gegenständliche Wesen falsch aufgefasst und es ist wegen der Bestimmtheit der Eigenschaft gezwungen, es als ausschliessendes Eins zu setzen, nicht als Gemeinschaft. An diesem Eins sind jedoch viele Eigenschaften, die gleichgültig gegeneinander sind. Der Gegenstand darf deshalb nicht nur als ausschliessend betrachtet werden, sondern muss als allgemeines gemeinschaftliches Medium genommen werden, "worin viele Eigenschaften als sinnliche Allgemeinheiten, jede für sich ist und als bestimmte die andern ausschliesst" (TWA 3/98). So aber nimmt das Bewusstsein "nicht ein allgemeines Medium wahr, sondern nur die einzelne Eigenschaft für sich, die aber so weder Eigenschaft noch ein bestimmtes Sein ist; denn sie ist nun weder an einem Eins noch in Beziehung auf andere" (TWA 3/98).  

Die Eigenschaft ist damit aber nur sinnliches Sein für das Bewusstsein. Sie ist weder bezogen auf ein Eins, noch im Unterschied zu andern Eigenschaften. Die Negativität, die erst das Wahrnehmen ermöglichte, ist wieder verloren gegangen. Das Bewusstsein der Wahrnehmung fällt ins Meinen der sinnlichen Gewissheit zurück, aus dem es hervorgegangen ist. Damit aber offenbart sich das Bewusstsein der Wahrnehmung als Kreislauf, der immer wieder in sich zurückkehrt und kein gegenständliches Wesen bestimmen kann.  

Die Wahrnehmung kann allerdings anders als die sinnliche Gewissheit aus diesem Kreislauf ausbrechen durch die Reflexion in sich selbst, die die Unterschiede oder Eigenschaft (Allgemeines) des Gegenstandes auf sich nimmt und dadurch erst befähigt wird das Einssein des Gegenstandes davon abzutrennen und der Reflexion als das Wahre gegenüberzustellen. Das Bewusstsein ist nun das allgemeine Medium, in welchem die Momente des Gegenstands abgesondert sind und als seine Reflexion betrachtet werden, wodurch es gleichzeitig die Gewissheit der Sichselbstgleichheit des Gegenstandes, seines Eins-Sein, bekommt.  

Jedoch kann das Bewusstsein nicht dabei stehen bleiben. Es merkt, dass der Gegenstand nicht nur Sichselbstgleichheit ist, sondern auch bestimmt und dadurch von andern verschieden. Die Bestimmtheit liegt jedoch in der Eigenschaft, so dass diese nicht einfach als Allgemeine ins Medium des Bewusstseins ausserhalb des Gegenstands (der nur ein Eins sein soll) gesetzt werden darf. Die Momente des Gegenstandes gehören deshalb auch zum Gegenstand und können nicht einfach als Allgemeine genommen werden. (Universal – Trope – Problem von D.C. Williams, einem Kollegen von Quine).  

Damit aber ist der Gegenstand selber an und für sich bestimmt, d.h. sowohl den Unterschied ausschliessende Einheit als auch Träger der Eigenschaft, die seine eigene Eigenschaft ist, seine eigene Bestimmtheit. Der Gegenstand wird nun für das Bewusstsein ein wahrhaftes Auch vieler Eigenschaften. Dabei wird dem Bewusstsein aber die ausschliessende Einheit des Gegenstandes bewusst, dessen Ineinssetzen es nun auf sich nehmen muss. Der Gegenstand wird hingegen in Umkehrung zur früheren Auffassung zum Auch des „Bestehens der vielen verschiedenen und unabhängigen Eigenschaften“ (TWA 3/100-101), er wird zur umschliessenden Oberfläche, zur Sammlung „freier Materien“ (Eigenschaften).  

Das Ergebnis der Erfahrung aus der Wahrnehmung des Gegenstandes, die sich als eigene innere Bewegung des Bewusstseins vom Auch der vielen Eigenschaften zum ausschliessenden Eins erweist, ist die Einsicht, dass diese Bewegung auch im Gegenstand selber vorhanden ist und die beiden Seiten der Bewegung nicht einseitig dem Gegenstand bzw. dem Bewusstsein zukommen. Allerdings stehen die beiden Seiten des Gegenstandes in einem Widerspruch, so dass sie entweder zwei verschiedenen Gegenständen zugeordnet werden müssen oder aber, die eine Seite – das Einssein - wird als die wesentliche, die andere - die Mannigfaltigkeit - als die unwesentliche, wenn doch auch notwendige des Gegenstandes behauptet (Essentialismus). Schon nur die Bestimmung von ‚unwesentlich’ als ‚notwendig’ zeigt jedoch, dass durch diese Ausflucht der Widerspruch nicht überwunden werden kann.  

Nun können aber Einssein und Mannigfaltigkeit auf diese Weise gar nicht getrennt werden. Denn wenn der Gegenstand Einssein ist, dann ist er bestimmt und damit im Beziehung zum Anderem, was „die Negation seiner Selbständigkeit“ bedeutet: „das Ding geht durch seine wesentliche Eigenschaft zugrunde“ (TWA 3/103), d.h. der Gegenstand ist nur Eins, insofern er in Beziehung zu einem Andern ist, sein Wesen in einem Anderen hat.  

Übergang ins Bewusstsein des Verstandes

Das Bewusstsein hat die Erfahrung gemacht, dass der Gegenstand als Einheit mit dem Gegensatz von Fürsichsein und Sein für ein Anderes behaftet ist. Diesen Widerspruch, den das Einssein des Gegenstandes in sich enthalten soll, kann das Bewusstsein der Wahrnehmung als sinnliches von seiner Voraussetzung und Anlage her nicht befriedigend auflösen und es geht daher über in das Reich des Verstandes, der das gewordene Resultat der Einheit von Einssein und Gegensatz als „unbedingt absolute Allgemeinheit“ setzt. Damit ergibt sich eine neue Perspektive zum Gegenstand.  

Das Bewusstsein hat bis jetzt den Weg von der sinnlichen Einzelheit (unmittelbare Gewissheit) über die sinnliche Allgemeinheit (Wahrnehmung) zur unbedingten absoluten Allgemeinheit (Verstand) zurückgelegt. Die letztere ist zugleich die Aufhebung des sinnlichen Moments des Bewusstseins. Seine innere Reflexion in der sinnlichen Wahrnehmung der Stoffe und Inhalte geht über in die Trennung von Gesetz (unbedingte absolute Allgemeinheit) und äussere Erscheinung, die nur Schein ist und hinter der die ewigen an sich seienden Gesetze (Zahlen, Wesenheiten) walten. Diese können aber nur von den einfachen Wesenheiten (Kategorien, Abstraktionen) des Verstandes, nicht von den Sinnen erkannt werden. Das Wesen des Bewusstseins ist nicht mehr die sinnliche Wahrnehmung und die darin waltende und hin und her gehende Reflexion, sondern seine eigene Formgebung, sei es in Formen der Zahl, des Verhältnisses oder der Modalitäten des Seins (Erscheinung, Notwendigkeit, Zufälligkeit etc.).

Exkurs zur Methode
Im Kapitel zum Bewusstsein der Wahrnehmung zeigt sich schon der langsame Aufbau des Begriffs. Das sinnliche Bewusstsein weiss noch gar nicht, dass es in seiner Gegenständlichkeit Begriff ist, dies weiss nur der Hegel. Aber indem Hegel das Bewusstsein machen lässt und es dabei verfolgt, entsteht der Begriff, der am Anfang nur an sich vorhanden ist, d.h. ohne dass das Bewusstsein von ihm weiss. Dies heisst aber auch, dass das sinnliche Bewusstsein - wie alle weiteren Formen des natürlichen Bewusstseins auch - für den Aufbau des Begriffs Bedeutung hat und unerlässlich ist. Ohne es könnte der Begriff sich nicht entwickeln. Er ist somit nur im Kopfe des Philosophen ein Ansich, in der tatsächlichen Welt des Bewusstseins muss er erst aufgebaut werden. Nur so kann sein Fürsichsein entstehen, kann der Gegenstand auch erkannt werden und bleibt nicht ein jenseitiges Ansichsein, dessen Erscheinung lediglich der Anschauung in räumlich-zeitlicher Einheit gegeben ist, die dann anschliessend durch die vorgegebenen subjektiven Kategorien begrifflich erfasst werden soll: die Begriffslosigkeit der Erscheinung und davon getrennt die Abstraktion des Begriffs, wie wir sie von Kants transzendentalen Deduktionen her kennen. Bei Hegel baut sich der Begriff zu seinem Fürsichsein  a posteriori auf, auch wenn er implizit oder an sich immer schon a priori gegeben sein muss. Oder anders ausgedrückt: Der Begriff als Einheit des Identischen und Nicht-Identischen ist die Voraussetzung für die Aufnahme und Einordnung der Sinneswelt, auch wenn das Bewusstsein diese Voraussetzung noch nicht erkennt und vom Gegenteil ausgeht. Auf dem Weg der Erfahrung wird es zu dieser Einsicht kommen.

 

Der Verstand oder die Auflösung der Dialektik der sinnlichen Gewissheit in der „unbedingt absoluten Allgemeinheit“   

Das Unbedingt-Allgemeine im Übergang von der Wahrnehmung ins Selbstbewusstsein
Die Wahrnehmung und ihre äussere Reflexion können das Fürsichsein des Gegenstandes und sein Sein für anderes nicht zusammenhalten und gehen aus diesem unaufgelösten Gegensatz über in den Verstand, der das Wesen des Gegenstandes in seine unbedingt absolute Allgemeinheit setzt. Der Verstand lässt sich somit in seiner Begriffsbildung nicht mehr auf die unmittelbare Qualität des Gegenstandes ein, sondern vermittelt bzw. hebt diese auf in seinen eigenen Formen. Damit ist die Einheit von Form und Inhalt zwar gewahrt – nicht wie bei der Wahrnehmung, in der die beiden immer abwechslungsweise auf das Fürsichsein und Sein für anderes verteilt sind – jedoch so, dass diese Einheit des Gegensatzes einseitig in die Form des Verstandes, in seine unbedingte Allgemeinheit, fällt.  

In dieser Einseitigkeit der Setzung des Wesens des Gegenstandes tritt der Gegensatz verschärft wieder auf, da er jetzt voraussetzungsgemäss gehalten ist in der Einheit des Verstandes allein, nicht mehr im Hin und Her der äusseren Reflexion der unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung. Was in der Wahrnehmung noch unvermittelt auseinander liegt und nur als Verhältnis von Gegenständen betrachtet wird, ist im unbedingt Allgemeinen des Verstandes als Moment des Begriffs gesetzt, der allerdings erst an sich Begriff ist, da das Bewusstsein auch in der Form des Verstandes das Wesen immer noch gegenständlich nimmt, „im reflektierten Gegenstand nicht sich selbst erkennt“ (TWA 3/108).  

Noch ist der Gegenstand nicht in der Bewegung des Selbstbewusstseins aufgehoben, sondern das Bewusstsein setzt sich das aus der Wahrnehmung gewordene Wahre - die Einheit von Fürsichsein und Sein für anderes - als gegenständliches Wesen gegenüber und unterwirft es dem unbedingt Allgemeinen des Verstandes. Aller Inhalt geht in das unbedingt Allgemeine zurück, „es kann keinen anderen Inhalt geben, der durch seine besondere Beschaffenheit sich dem entzöge“ (TWA 3/109). Der Inhalt wird zum Schein oder Erscheinung, der kein eigener Wert zukommt. Die Freiheit ist lediglich in diesem unbedingt Allgemeinen, in der Form des Verstandes. Das Einzelne und Besondere geht darin unter, kann seine Allgemeinheit nicht aus sich selbst entfalten und damit substantielle Freiheit erringen. Durch die weitere Dialektik des Bewusstseins wird diese Einseitigkeit beseitigt.  

Setzen der Momente des Begriffs im Unbedingt-Allgemeinen

Es ist nun zu sehen, wie die Momente des Begriffs – das Fürsichsein und das Sein für anderes des Gegenstandes – im Unbedingt-Allgemeinen als Einheit von Form und Inhalt gesetzt sind. Dabei ist vom Ergebnis der Dialektik der Wahrnehmung auszugehen. Dort hat sich ergeben, dass die Selbständigkeit der Unterschiede – das Sein für anderes - und „die Reduktion dieser Verschiedenheit zum reinen Fürsichsein“ (TWA 3/110) im allgemeinen Medium des Gegenstandes zusammenfallen. In der Bewegung des Begriffs des Verstandes gehen nun diese Momente unmittelbar ineinander über, d.h. „die selbständig gesetzten gehen unmittelbar in ihre Einheit und ihre Einheit unmittelbar in die Entfaltung über und diese wieder zurück in die Reduktion“ (TWA 3/110). Diese Bewegung bezeichnet Hegel als Kraft, die in sich zurückgedrängt auch Äusserung, nämlich passive Selbständigkeit der Unterschiede, und als Äusserung auch in sich seiende oder eigentliche Kraft ist. Mit dem Begriff der Kraft gelingt es dem Verstand somit die beiden Momente als unterschiedene in der Einheit seines Begriffs zu denken, sie nicht an zwei separierte Gegenstände zu verlieren. Allerdings gelingt ihm dies nur in seiner eigenen Form, seinem Begriff der Kraft, nur im Denken, im Unbedingt-Allgemeinen, „denn an ihr selbst sollen sie [die Momente] nicht unterschieden sein“ (TWA 3/110) und fallen so gleichgültig ausser einander. Deshalb ist der Begriff des Verstandes nur an sich Begriff, das Fürsichsein im Gegenstand noch nicht als seine eigene Macht und damit selber als Begriff realisiert: „Oder es ist im Obigen nur erst der Begriff der Kraft, nicht ihre Realität gesetzt worden“ (TWA 3/110).  

Da der Verstand die Kraft als das Unbedingt-Allgemeine setzt, muss er ihre Momente oder Unterschiede jedoch auch als substantielle, d.h. für sich bestehende nehmen, ihnen je ein eigenes Wesen zuschreiben: dem ausschliessenden Eins ist die Entfaltung der Unterschiede ein anderes bestehendes Wesen. Nur so ist die Kraft in ihrer Gegenständlichkeit, wie sie vom Bewusstsein des Verstandes als an sich seiende Wahrheit gesetzt ist. Damit hat die Bewegung zwischen den Momenten gegenständliche Form bekommen und ist die Bewegung der Kraft selbst, welche die beiden Momente trägt, ihre Mitte darstellt: Der Verstand hat die Selbstvernichtung widersprechender Begriffe der Wahrnehmung überwunden, die in ihm zu Momenten einer neuen Bewegung geworden sind. Als Resultat dieser Bewegung geht das Unbedingt-Allgemeine als Ungegenständliches oder als Inneres der Dinge hervor (TWA 3/111), das als Grund der Erscheinung als Ganze, nicht nur der einzelnen Wahrnehmungen, genommen wird. Der Schein der äusseren Dinge wird so zur Erscheinung ihres Innern. Der Verstand fällt damit in den Gegensatz oder Dualismus von Innerem und Äusserem, der die dialektische Bewegung des Bewusstseins und Wissens weiterführt:  

So wie sich der Begriff der Kraft geworden ist, ist sie in der Bestimmtheit des Eins als das eine substantielle Extrem des Begriffs gesetzt. Das andere substantielle Extrem ist das Bestehen des Anderen, der Materien, die aus der Bestimmtheit des Eins ausgeschlossen sind. Aus der Notwendigkeit des Verstandesbegriffs als das Unbedingt-Allgemeine geht jedoch hervor, dass die Kraft selbst das Bestehen des Andern ist, d.h. dass sie es ist, die sich äussert.  

Zur Lösung dieses Problems geht der Verstand in einem ersten Schritt davon aus, dass das Andere zur Kraft hinzutritt und sie sollizitiert (TWA 3/112), d.h. dass das Andere das Sollizitierende ist. Aber die Kraft äussert sich notwendig und muss deshalb das anfänglich andere Wesen an ihr selbst haben. Damit verliert sie jedoch ihren anfänglichen Status als Eins und wird zum Medium des Bestehens des Anderen, der Materien, damit aber selber zum Sollizitierenden. Dadurch wird jedoch ihr Einssein zu einem Andern als sie selbst und sie hat jetzt ihr Einssein ausser ihr. Das Einssein tritt nun als das Andere auf und sollizitiert die Kraft „zur Reflexion in sich selbst oder hebt ihre Äusserung [nur Medium zu sein] auf“ (TWA 3/112). Kamen zuerst die Äusserung der Kraft, die Materien, von ausserhalb, so sind sie jetzt ein Insichreflektiertsein der Kraft selbst, diese geht als Äusserung in sich als Einssein zurück. Die beiden sind nicht äusserlich zueinander und zur Kraft. Einssein und Äusserung sind nur verschwindende Momente der Kraft:  

„Das, was als Anderes auftritt und sie [die Kraft] sowohl zur Äußerung als zur Rückkehr in sich selbst sollizitiert, ist, wie sich unmittelbar ergibt, selbst Kraft; denn das Andere zeigt sich ebensowohl als allgemeines Medium wie als Eins und so, daß jede dieser Gestalten zugleich nur als verschwindendes Moment auftritt.“ (TWA 3/112)  

Das Spiel der Kräfte und das gegenständlich Allgemeine

Es ergibt sich daraus ein Spiel der Kräfte des Einsseins und des Seins für Andere, der Rückkehr in sich selbst und der Äusserung. Beide sind zwar Momente des Begriffs der Kraft, aber die Momente sind noch nicht aus dem Begriff der Kraft herausgetreten in eine wahrhafte Einheit, in welcher sie als Momente realisiert sind. Das bedeutet auch: es sind zugleich noch zwei Kräfte, die immer schon aus ihrer Einheit wieder in die Zweiheit herausgegangen sind (TWA 3/112).  Jedes, Einssein und Sein für Anderes, hat jeweils nur durch sein Anderes seine Bestimmtheit. Beide sind einmal Medium, das andere Mal zurückgedrängte Kraft, beide sind einmal sollizitierend, das andere Mal sollizitiert: das Fürsichsein oder Einssein (zurückgedrängte Kraft) wird vom Sein für Anderes (Medium) dazu sollizitiert, sollizitierend zu sein und umgekehrt. Im Grunde genommen geschieht dasselbe wie in der Wahrnehmung, nur dass der Verstand im Kraftbegriff die beiden Momente formal zusammenhalten kann und in sich reflektiert. In der Bewegung oder Spiel der Kräfte fallen sie jedoch ihrem Inhalte nach immer wieder in zwei separate Kräfte auseinander.  

Es ist wie im Begriff des reinen Werdens, das seine Momente des Seins und Nichts auch nicht halten kann. Erst im Begriff des Daseins ist ein Seiendes gesetzt, das sein Nichtsein an sich selbst hat, erst im Selbstbewusstsein wird das Spiel der Kräfte auch inhaltlich in der Einheit gehalten. Aber beide müssen dann die Momente ihrer Einheit erst setzen: Das Dasein setzt das Sein für Andere und Fürsichsein (Einssein) noch ausser einander, das Selbstbewusstsein in seiner für es gewordenen Einheit. Zwischen den beiden steht der Kraftbegriff des Verstandes als erster Versuch, das unbefriedigende Ergebnis der Entwicklung des Daseinsbegriffs (Wahrnehmung) zu klären, wobei die Einheit von Form und Inhalt im Unbeding-Allgemeinen immer wieder aufbricht, sobald die Kraft als Spiel der Kräfte betrachtet wird, um ihr Inhalt zu geben.

Somit kann Hegel sagen, „die Wahrheit der Kraft bleibt also nur der Gedanke derselben“ (TWA 3/115).  Die Einheit der Kraft ist nur der Begriff als Begriff, denn die Realisierung der Kraft – das Spiel der Kräfte – ist Verlust der Realität, da die Momente nicht in der Substanz der Kraft gehalten werden können, diese geht selbst immer wieder verloren im Spiel der Kräfte. Übrig bleibt ihre Einheit im Begriff als Begriff – im Verstand als die formale Einheit der Momente. Im Verlust der Realität hat sich zwar die Kraft auch als das Allgemeine (das Wesen, der Begriff) der wirklichen Substanz erwiesen, das der Verstand unmittelbar in ihr erkannt hatte und als ihr Wesen setzte. Doch ist sie nur das Wesen ihrer seinsollenden Realität, da die Realität oder Substanz immer wieder im Spiel der Kräfte, im Auseinanderfallen der Momente der Kraft, verloren geht.  

Das Allgemeine, das am Anfang nur im unmittelbaren Begriff der Kraft des Verstandes oder sein unmittelbarer Gegenstand war, ist im Resultat des Spiels der Kräfte „als das Negative der sinnlich gegenständlichen Kraft bestimmt“, oder als „das Innere der Dinge, als Inneres, welches mit dem Begriff als Begriff dasselbe ist (TWA 3/115-116). Das aus der Betrachtung (Wahrnehmung) des Spiels der Kräfte hervorgegangene Sein der Kraft wird zum Schein, zum „Sein, das unmittelbar an ihm selbst ein Nichtsein ist“ (TWA 3/116). Dem Verstand wird das Sein der Dinge als Ausdruck der Kraft zum Schein und das Ganze des Scheins ist nur mehr Erscheinung, über die er sich mit dem Innern der Dinge zusammenschliesst. Damit ist für das Bewusstsein das Innere der Dinge nicht mehr nur das Negative der sinnlich gegenständlichen Kraft oder die Reflexion des Spiels der Kräfte in sich selbst, sondern selbst ein Positives, „nämliche das Allgemeine, der ansichseiende Gegenstand“ (TWA 3/116).   

Das Allgemeine oder Innere bleibt aber gegenständlich und wird vom Verstand von sich unterschieden. Er negiert zwar das sinnliche Auffassen der beiden Wesenheiten des Begriffs (Einsseins und Sein für Anderes), indem er sie im Spiel der Kräfte in sich reflektiert – das aus der Wahrnehmung entwickelte Negative - fasst jedoch als Bewusstsein das dadurch entstehende Allgemeine oder Innere des Gegenstandes wieder als ein äusserliches Ansichsein auf, unterschieden von seiner eigenen Negation des Sinnlichgegenständlichen. Die Negation als Inneres des Gegenstandes ist noch nicht in ihm selbst als Moment einer positiven Bewegung gesetzt, wie später im Selbstbewusstsein, das in seinem Fürsichsein das Innere an ihm selbst hat.

Zusammenfassung gemäss Hegels Texte TWA 3/116
„Das Sein desselben [das Allgemeine, der ansichseiende Gegenstand] für das Bewußtsein ist vermittelt durch die Bewegung der Erscheinung, worin das Sein der Wahrnehmung und das Sinnlichgegenständliche überhaupt nur negative Bedeutung hat, das Bewußtsein also daraus sich in sich als in das Wahre reflektiert, aber als Bewußtsein wieder dies Wahre zum gegenständlichen Innern macht und diese Reflexion der Dinge von seiner Reflexion in sich selbst unterscheidet; wie ihm die vermittelnde Bewegung ebenso noch eine gegenständliche ist.“

Die übersinnliche wahre Welt über der sinnlichen erscheinenden Welt (TWA 3/117)
Da, wie wir gesehen haben, die sinnliche Welt immer schon verschwunden ist, d.h. in ihrem Einssein immer auch das Sein für Anderes an sich hat, die im Sinnlichen nicht zusammengebracht werden können, führt die nur negative Reflexion des Verstandes als Wechselspiel der beiden Kräfte in sich zur Unterscheidung der Erscheinung und des Innern der Dinge. Das Innere als Absolut-Allgemeines oder Ansichseiendes steht über der sinnlich erscheinenden Welt und macht als übersinnliche wahre Welt das gegenständliche Wesen des Verstandes aus.  

Das Innere aber ist aus der Erscheinung – dem Ganzen des Spiels der Kräfte als Negation oder Wahrheit des Sinnlichen und Wahrgenommenen – entstanden. Die Erscheinung ist somit sowohl das Vermittelnde zwischen dem Bewusstsein und dem Innern als auch das Wesen, die Erfüllung des Innern selbst. Ohne Erscheinung gibt es kein Inneres der Dinge. Ohne sie kommen der Verstand nicht zum Innern und das Innere nicht zur Existenz. Der Verstand sucht deshalb jenseits der Erscheinung vergebens ein Inneres, das ohne die Erscheinung leer ist. Dies bedeutet nicht, dass man das Ansich, das A priori der Dinge grundsätzlich nicht erkennen kann, sondern nur, dass das Innere nicht einfach ein festes gegenständliches Allgemeines über der Erscheinung ist. Erscheinung und Inneres sind aufeinander bezogen und nicht einfach einander entgegengesetzte Extreme, als welche sie der Verstand denkt:  

„Der Verstand, welcher unser Gegenstand ist, befindet sich auf eben dieser Stelle, daß ihm das Innere nur erst als das allgemeine, noch unerfüllte Ansich geworden; das Spiel der Kräfte hat nur eben diese negative Bedeutung, nicht an sich, und nur diese positive, das Vermittelnde, aber außer ihm zu sein. Seine Beziehung auf das Innere durch die Vermittlung aber ist seine Bewegung, durch welche es sich ihm erfüllen wird.“ (TWA3/119)  

Erscheinung und Inneres werden später zu Momenten des an und für sich seienden Begriffs selbst, des Selbstbewusstseins, und bekommen dort eine neue Bedeutung in der praktischen Vermittlung von Leben und Bewusstsein, des Seins für Anderes und des Fürsichseins.    

Die Beruhigung des Wechsels im Spiel der Kräfte: Das Gesetz des Verstandes

Hiermit ist nun der Wechsel im Spiel der Kräfte, der Wechsel zwischen dem Einsseins und dem Sein für Anderes, in sein Allgemeines, das Innere, aufgenommen und wird dort vom Verstand in seiner ruhigen formalen Einheit als Wechsel behandelt. Es steht also nicht einfach die formale Einheit dem inhaltlichen Wechsel gegenüber, sondern Einheit und Wechsel sind im Verstand zusammengebracht. Diese ruhige Bewegung im Verstand nennt Hegel das Gesetz der Kraft, in welchem das Spiel der Kräfte beruhigt ist, die Vielheit der inhaltlichen Kräfte von Einssein und Seins für Anderes in den „einfachen Unterschied“ des Gesetzes - das die beiden Momente in ihrer Wechselwirkung allgemein behandelt, aber noch als äusseres abstrakt Allgemeines setzt -  zurückgegangen ist. In Hegels Worten:  

„Zu dem einfachen Unterschiede wird die absolut wechselnde Erscheinung durch ihre Beziehung auf die Einfachheit des Innern oder des Verstandes. Das Innere ist zunächst nur das an sich Allgemeine; dies an sich einfache Allgemeine ist aber wesentlich ebenso absolut der allgemeine Unterschied, denn es ist das Resultat des Wechsels selbst, oder der Wechsel ist sein Wesen, aber der Wechsel als im Innern gesetzt, wie er in Wahrheit ist, in dasselbe hiermit als ebenso absolut allgemeiner, beruhigter, sich gleichbleibender Unterschied aufgenommen. Oder die Negation ist wesentliches Moment des Allgemeinen, und sie oder die Vermittlung also im Allgemeinen ist allgemeiner Unterschied. Er ist im Gesetze ausgedrückt als dem beständigen Bilde der unsteten Erscheinung. Die übersinnliche Welt ist hiermit ein ruhiges Reich von Gesetzen, zwar jenseits der wahrgenommenen Welt, denn diese stellt das Gesetz nur durch beständige Veränderung dar, aber in ihr ebenso gegenwärtig und ihr unmittelbares stilles Abbild.“
(TWA 3/120)  

Das Gesetz der Kraft ist aber nur eine Abstraktion des Verstandes und lässt die Erscheinung auf der andern Seite als solche stehen, auch wenn es die Unterschiede an sich hat. Es ist ein positives Abbild der Erscheinung, die in ihrem Fürsichsein gelassen wird und damit dem Gesetz nur äusserlich ist. Die Erscheinung behält ihre Macht für sich und der abstrahierende Verstand ist von ihr abhängig und kann sie als solche nicht beherrschen und in ihrer Negation aufheben. Dies äussert sich darin, dass die Gesetze als ruhiges positives Abbild der Wirklichkeit im Wie ihrer Abstraktion willkürlich sind, d.h. immer nur einen willkürlich gewählten Teil der Wirklichkeit abbilden können bzw. durch andere Umstände oder Voraussetzungen, die ausserhalb ihrer liegen und zur Erscheinung gehören, obsolet werden oder aber einen falschen Herrschaftsanspruch gegenüber der Erscheinung als Ganze erheben.  

Auch der Versuch des Verstandes – „welchem als Bewusstsein des einfachen Innern die an sich allgemeine Einheit das Wahre ist“ - ein immer allgemeineres positives Gesetz zu finden, um einen immer umfassenderen Bereich der Wirklichkeit einfangen zu können, ist kein gangbarer Weg. Ein solches Gesetz wird immer unbestimmter und erhöht damit die unmittelbare Macht der Erscheinung und seine eigene Willkürlichkeit nur umso mehr.  Auch wenn das Gesetz dadurch komplexer und umfassender ausgestaltet ist, bleibt die Diskrepanz bestehen, bzw. fällt das Gesetz in das Spiel der Kräfte zurück (z. B. in der induktiven Simulation der Wirklichkeit), verliert die Abstraktion, die seine Eigenheit ist und sein muss als Allgemeines des Verstandes, das das Besondere unter sich als Moment subsumieren will.  

Das Gesetz des Verstandes bleibt somit in einer Zwickmühle stecken: Entweder ist es nur sehr eingeschränkt gültig oder es verliert seine Bestimmheit vollständig. Die Philosophie jedoch geht aufs Ganze und will es in seiner Besonderung begreifen. Dies bedeutet für Hegel nicht, dass besondere Gesetze für besondere Sachverhalte nicht sehr nützlich sein können. Sobald sie jedoch aufs Ganze ausgeweitet werden, werden sie in ihrer Bestimmtheit willkürlich, und statt etwas zu begreifen, verstellen sie die Sicht auf die Wirklichkeit, verdunkeln diese. Darin liegt auch die kritische Funktion der Philosophie, die Kritik der Kategorien, die den Inhalt der Phänomenologie des Geistes und später der Wissenschaft der Logik ausmacht.  

Hegel kann somit sagen: „Was ihm [dem Gesetz] zu mangeln scheint, ist, daß es zwar den Unterschied selbst an ihm hat, aber als allgemeinen, unbestimmten.“(TWA 3/121). Der Unterschied ist eben das Moment des Seins für Anderes im Einssein oder Fürsichsein des Gesetzes. Aber das Sein für Anderes in dieser Einheit ist nur Abstraktion aus der Wechselwirkung der Kräfte und damit zu allgemein und unbestimmt. Es steht damit der Wechselwirkung, dem Fürsichsein der Erscheinung, nur als äusseres gegenüber. Die Erscheinung als Erscheinung ist noch nicht ins Innere aufgenommen, d.h. zu einem inneren Moment des Bewusstseins selbst gemacht worden. Allerdings geht der Verstand mit der Vereinigung der Gesetze, z.B. im Begriff der Attraktion, über die sinnliche Vorstellung hinaus, der alles nur Zufälligkeit ist und die keine Gesetzmässigkeit kennt. Doch hat der Verstand nur den Begriff des Gesetzes, nur den Begriff der Gesetzmässigkeit. Er kann als Verstand den Begriff der Wirklichkeit nicht erfassen.  

[Vereinigung der Gesetze
à Attraktion (S. 121) à nur Begriff des Gesetzes als seiend gesetzt; Attraktion als allgemeines Gesetz des Verstandes, das die allgemeine Wirklichkeit ausdrücken soll à nur Begriff des Gesetzes, nicht Wirklichkeit gefunden: Alle Wirklichkeit ist an ihr selbst gesetzmässig à Verstand geht über die Vorstellung hinaus, welchem alles die Gestalt der Zufälligkeit und die Bestimmtheit die Form der sinnlichen Selbständigkeit hat (TWA 3/121-122).]

An dieser Stelle erreicht die Phänomenologie den Übergang von der Seinslogik [in der Begriff und Sein, Identität und Unterschied, Positives und Negatives, Einheit und Moment als auch die Momente selbst gleichgültig zueinander stehen, nicht in die Einheit aufgenommen sind, „beziehen sich nicht durch ihr Wesen aufeinander“ (TWA 3/124)] in die Wesens- bzw. Begriffslogik. Das Mass in der Seinlogik als höchste quantitative Erfassung der Qualität bzw. das Gesetz in der Phänomenologie können die Wirklichkeit nur unbestimmt und abstrakt erfassen. Das Sein für Anderes ist nicht wahrhaft in der Einheit, dem Fürsichsein, vermittelt, sondern bleibt äusserlich bestehen, während das Gesetz nur durch Abstraktion das Andere in die Einheit hineinholt: „An dem Gesetze nämlich ist der Unterschied selbst unmittelbar aufgefaßt und in das Allgemeine aufgenommen, damit aber ein Bestehen der Momente, deren Beziehung es ausdrückt, als gleichgültiger [nicht vermitteltet] und ansichseiender Wesenheiten.“ (TWA 3/122)  

Oder in einem Beispiel ausgedrückt: das Gesetz der Elektrizität mit seinen beiden Momenten oder Eigenschaften der positiven und negativen Elektrizität steht der einfachen Kraft der Elektrizität gleichgültig gegenüber. Die einfache Kraft selber als Erscheinung ist dem blinden Zufall der Existenz und äusseren Notwendigkeit ausgeliefert, und das Gesetz gibt nur eine äussere Gesetzmässigkeit, die äussere Eigenschaft. Erst im Begriff des Lebens wird das Sein für Anderes in die Einheit zurückgenommen und dort ‚innerlich’ vermittelt und damit zur inneren Notwendigkeit, aus der Freiheit, die sich ihre eigenen Gesetze gibt, hervorgeht.  

Die Unterschiede sind somit nicht an sich selbst Unterschiede, sondern das Allgemeine, die Kraft, ist entweder gleichgültig gegen die Unterschiede, die das Gesetz macht, oder die Unterschiede sind nur im Gesetz gesetzt, ansonst gleichgültig gegeneinander. Die Kraft und das Gesetz der Kraft fallen auseinander. Oder wie Hegel es ausdrückt:  

„Aber dieser innere Unterschied [im Gesetz] fällt nur erst noch in den Verstand und ist noch nicht an der Sache selbst gesetzt. Es ist also nur die eigene Notwendigkeit, was der Verstand ausspricht; einen Unterschied, den er also nur so macht, daß er es zugleich ausdrückt, daß der Unterschied kein Unterschied der Sache selbst sei.“ (TWA 3/125)  

Die tautologische Bewegung des Erklärens führt zur Offenbarung der Widersprüch-lichkeit des Denkens (Begriffs) in seinem Gegenstand, der Sache: die Verkehrung der ersten übersinnlichen Welt in eine zweite übersinnliche Welt

Die Bewegung des Gesetzes zwischen seiner Einheit (Kraft) und seinen Unterschieden (z.B. Raum und Zeit) fällt somit nur gerade in den Verstand, ins Bewusstsein. Die Sache selbst bleibt dabei in der ruhigen Einheit seines Gegenstandes. Hegel nennt diese Bewegung das Erklären und bezeichnet sie als reine Tautologie, eine Wiederholung desselben, was das Gesetz aussagt, wodurch in der Sache nichts Neues entsteht (TWA 3/126).  

Mit der Bewegung des Erklärens ist jedoch das Spiel der Kräfte in der Erscheinung - der Wandel und Wechsel der Kraft zwischen Sollizitierendem und Sollizitiertem - ins Übersinnliche des Verstandes selbst eingedrungen. Der Begriff ist nicht mehr nur eine Einheit, die den Wechsel in der Erscheinung zwar beruhigt (Aristoteles gegen Heraklit), jedoch damit die Widerspruchsfreiheit des Denkens als Gesetz setzt, die der Erscheinung aber keineswegs gerecht werden kann und in seiner Konsequenz das Denken lediglich noch als formale Tätigkeit betrachtet.  

Obwohl nun der Wechsel nicht in der Sache selbst, sondern nur im Verstand ist, erfährt dieser in der Bewegung des Erklärens, „dass es Gesetz der Erscheinung selbst ist, dass Unterschiede werden, die keine Unterschiede sind, sondern das Gleichnamige sich von sich selbst abstösst“; und ebenso, dass die Unterschiede nur solche sind, die in Wahrheit keine sind und sich aufheben; oder dass das Ungleichnamige sich anzieht (TWA 3/126-127).  

Die Sache selbst ist widersprüchlich, und zwar nicht nur im sinnlichen Spiel der Kräfte, sondern im Begriff selbst. Der Begriff selbst ist es, innerhalb dessen sich die Unterschiede anziehen und die Einheit sich differenziert, das Ungleiche sich anzieht und das Gleichnamige sich von sich selbst abstösst. Damit gewinnt der Begriff erst Sachhaltigkeit und der Unterschied „stellt sich hiermit als Unterschied der Sache selbst oder als absoluter Unterschied dar“ (TWA 3/127), ist nicht einfach in der stillen Einheit und Ordnung über der Erscheinung, über dem Spiel der Kräfte. Damit ergibt sich ein zweites Gesetzt, das dem ersten entgegengesetzt ist und in welchem nicht eine ruhige Sichselbstgleicheit  über der Sinnlichkeit abgebildet ist, sondern eine „Sichselbstgleichheit vielmehr der Ungleichheit, eine Beständigkeit der Unbeständigkeit“ (TWA 3/127). Die Beständigkeit ist also gerade nicht die Widerspruchslosigkeit, sondern der Widerspruch in der Einheit.  

Das zweite Gesetz ist das verkehrte des ersten, da das Gleiche (Identische) ungleich und gleichzeitig das Ungleiche (Unterschied) gleich geworden ist. Das erste Gesetz, die erste übersinnliche Welt, ist nur ein unmittelbares allgemeines Abbild der Erscheinung, „nur die unmittelbare Erhebung der wahrgenommenen Welt in das allgemeine Element“ (TWA 3/128) des Denkens, wobei die wahrgenommene Welt das Prinzip der Veränderung (Fürsischsen - Sein für Anderes) für sich behält und als notwendiges Gegenbild zur übersinnlichen Welt auftritt, der das Prinzip der Veränderung fehlt und es erst durch die zweite übersinnliche Welt wieder erhält.

Hegel zeigt hier, wie die identischen Verstandesbegriffe in Bewegung geraten und damit erst sich der Erscheinung und Wirklichkeit ebenbürtig zeigen. Haben Platon und Aristoteles die Grundlagen der ersten übersinnlichen Welt geschaffen, hat Hegel diese Grundlage in der zweiten übersinnlichen Welt aufgehoben und damit revolutioniert. Darin liegt auch das skeptische Moment in Hegels Begriffsphilosophie, das nicht das Denken als solches in Frage stellt, sondern lediglich das einseitige und beschränkte Denken.  

In der zweiten übersinnlichen Welt, der Verkehrung der ersten, ist der Unterschied nicht mehr in einem verschiedenen Seienden neben dem formalen Verstandesbegriff gesetzt, sondern jetzt ist der absolute Begriff des Unterschieds, „der reine Wechsel oder die Entgegensetzung in sich selbst, der Widerspruch zu denken“ (TWA 3/130). Damit ist der Unterschied „als innerer oder Unterschied an sich selbst oder ist als Unendlichkeit“ (TWA 3/131). Erst in dieser Unendlichkeit, die den Unterschied zur Aufgabe macht, ist die Freiheit des Denkens und Handelns – wenn auch vorerst nur an sich – erreicht. Der Unterschied an sich ist damit nicht mehr ein nur gleichgültiger ausserhalb des übersinnlichen Gesetzes, sondern als notwendiges Moment in der Begriff aufgenommen, der als solcher seine eigene Bewegung erhält, da er jetzt die nur seienden Unterschiede der Erscheinung in sich enthält und bewegt. Die Unterschiede sind an sich Entgegengesetzte (Positives – Negatives), aber diese haben ihr Anderes an sich und sind nur eine Einheit, ein Wesen, und damit begeistet.  

In der einfachen Unendlichkeit oder absoluten Begriff ist die Sichselbstgleichheit innerer Unterschied geworden. Hegel nennt sie „das einfache Wesen des Lebens“ (TWA 3/132). Damit sind noch nicht bestimmte Formen von Leben gemeint, sondern das Leben an sich ist begrifflich erfasst als der Unterschied in der Einheit, der Sichselbstgleichheit. Weder kann der Unterschied ohne Einheit, noch die Einheit ohne Unterschied gedacht werden, ohne das damit die beiden leblos auseinanderfallen, zu gleichgültigen Momenten werden, die nur formal durch den Verstand zusammengehalten werden können: „was das Sichselbstgleiche sein sollte, ist also schon eins der Entzweiten viel mehr, als dass es das absolute Wesen wäre. Das Sichselbstgleiche entzweit sich, heisst darum ebensosehr: es hebt sich als schon Entzweites, es hebt sich als Anderssein auf.“ (TWA 3/132). Wer nur das Sichselbstgleiche als Wesen setzt, hebt es als solches sofort wieder auf, wenn er es als solches gegen den Unterschied stehen lässt.  

Damit ist das Grundproblem der Hegelschen Philosophie angesprochen, das er auch mit seinen Freunden Hölderlin, Sinclaire und Schelling immer wieder diskutierte: Wie kann aus der Einheit Unterschied hervorgehen. Seine Lösung lautet: „Das Sichselbstgleichwerden ist ebenso ein Entzweien“ (TWA 3/133). Beide stehen in der Einheit des Selbstbewusstseins, das als solches der Begriff und prozesshaft ist. Im Erklären des Gesetzes hat das Bewusstsein des Verstandes diesen Begriff an sich erreicht. Allerdings macht es noch nicht diese Bewegung, das Prozesshafte selbst zu seinem Gegenstand, sondern seine Wahrheit bleibt die Erscheinung, das Spiel der Kräfte, ein äusserer Gegenstand, den es seiner abstrakten Notwendigkeit unterwirft, „und das Gleichnamige und das Ungleiche sind Prädikate, deren Wesen ein seiendes Substrat ist“ (TWA 3/134).  

Erst das Selbstbewusstsein als Unendliches macht die innere  Bewegung selbst zum Gegenstand und wird zum praktischen Weltbezug, der später dann in der Vernunft zu einer neuen theoretischen Weltbeziehung führt, die aus der Bewegung der Unendlichkeit des Selbstbewusstseins hervorgeht und sich dieser Unendlichkeit bewusst geworden ist.  

Das Auffassen und die Exposition der Unendlichkeit des Selbstbewusstseins oder des Begriffs, „des Unterschieds wie er in Wahrheit ist“ (TWA 3/134), ist jedoch nur für uns oder an sich, gehört der Wissenschaft an, denn die neue Gestalt des Bewusstseins - das Selbstbewusstsein - hat ihren Begriff, ihre Wahrheit nur unmittelbar, nicht aus dem sich ergebenden Wesen des vorhergehenden Bewusstsein des Verstandes, das oben expliziert worden ist und dem Verstand selber, der auf der Trennung von Begriff und sinnlichem Substrat beharrt, nicht offenbar wird, obwohl es an sich erreicht und als Voraussetzung des Verstandes erkannt worden ist. Erst die Entwicklung dieses neuen Wesens des Bewusstseins wird seine Bedeutung für die vorhergehenden Gestalten des Bewusstsein offenbaren und damit das Bewusstsein (Meinen, Wahrnehmen, Kraft und Verstand) auf eine neue Ebene, die Vernunft, heben:  

„Der notwendige Fortgang von den bisherigen Gestalten des Bewußtseins, welchen ihr Wahres ein Ding, ein Anderes war als sie selbst, drückt eben dies aus, daß nicht allein das Bewußtsein vom Dinge nur für ein Selbstbewußtsein möglich ist, sondern daß dies allein die Wahrheit jener Gestalten ist. Aber für uns nur ist diese Wahrheit vorhanden, noch nicht für das Bewußtsein. Das Selbstbewußtsein ist erst für sich geworden, noch nicht als Einheit mit dem Bewusstsein [Vernunft] überhaupt. “ (TWA 3/135)

 

Das Selbstbewusstsein oder die Wahrheit der Gewissheit seiner selbst  

Einleitung

In den ersten drei Formen des Bewusstseins waren die Wahrheit, das an sich des Gegenstandes, und die Gewissheit (das Wissen) über den Gegenstand voneinander voraussetzungsgemäss getrennt. Das Wissen war ein äusseres Wissen und der Massstab seiner Wahrheit, der Gegenstand, auch ein äusserer. Nun hat sich aus der Bewegung dieses Wissens ergeben, dass beide zusammenfallen. Diese Einheit von Gewissheit und Wahrheit ist jedoch nur erst eine innere und hat sich in der Bewegung ihrer beiden Momente (Gewissheit und Wahrheit) zu bewähren, muss gesetzt, d.h. zur äusseren Wahrheit werden. Damit hat sich die anfänglich äussere unmittelbare sinnliche Gewissheit zur unmittelbaren inneren Gewissheit seiner selbst entwickelt. Wie immer bei Hegel geht die Entwicklung des Begriffs – hier des Begriffs in seinem Dasein – von der Unmittelbarkeit über die darin angelegte Vermittlung in eine neue ‚höhere’ Unmittelbarkeit über, die Ausgangspunkt für weitere Vermittlungen ist, welche ohne einen solchen ‚Rückgang’, eine solche ‚Einfaltung’, ein solches in sich Zurückgehen,  nicht zustande kämen. Die Ausdifferenzierung der erreichten Einheit des Selbstbewusstseins, des an und für sich seienden Begriffs, wird die vorerst nur unmittelbare Wahrheit der Gewissheit des Selbstbewusstseins offenbaren, woraus wieder eine neue Form des Bewusstseins hervorgeht, allerdings wieder hinter dem Rücken des Bewusstseins.  

Damit ist der Begriff des Geistes an sich erreicht: „Ich ist der Inhalt der Beziehung und die Beziehung selbst; es ist es selbst gegen ein Anderes, und greift zugleich über dies Andere über, das für es ebenso nur es selbst ist“ (TWA 3/137-138). Der Geist ist nur in dieser Beziehung, ansonst ist er sich nur äusserlich. Darin sind jedoch die vorhergehenden Formen des Bewusstseins nicht einfach negiert, sondern aus ihrer Absolutheit zu Momenten des Selbstbewusstseins geworden, das sie jetzt unter den Bedingungen der praktischen Weltbeziehung neu entwickeln muss:  

„Das Sein der Meinung, die Einzelheit und die ihr entgegengesetzte Allgemeinheit der Wahrnehmung sowie das leere Innere des Verstandes sind nicht mehr als Wesen, sondern als Momente des Selbstbewußtseins, d. h. als Abstraktionen oder Unterschiede, welche für das Bewußtsein selbst zugleich nichtig oder keine Unterschiede und rein verschwindende Wesen sind.“ (TWA 3/138)  

Für das Selbstbewusstsein sind somit zwei Momente:
(1) ein von ihm unterschiedenes Moment als Sein. Damit ist es Bewusstsein und für es ist die ganze Ausbreitung der sinnlichen Welt.
(2) die Einheit seiner selbst mit sich. Damit ist die Welt zwar ein Bestehen, „welches aber nur Erscheinung oder Unterschied ist, der an sich kein Sein hat“ (TWA 3/139). Dies bedeutet, dass die Welt nicht nur eine feste Wahrheit, ein festes Bestehen hat, das vom (theoretischen) Bewusstsein auf ihr dem Bewusstsein äusseres Wesen hin untersucht wird, sondern in der eigenen Bewegung ihm assimiliert wird und damit ihre anfängliche Fremdheit verliert. Das Ansich muss zuerst geschaffen werden, es ist nicht einfach da.  

Hegel nennt diese Assimilationsbewegung Begierde überhaupt. Das wahre Wesen des Selbstbewusstseins ist in der Begierde aber vorerst dem Gegenstand der sinnlichen Gewissheit und der Wahrnehmung entgegengesetzt, er hat nur den Charakter des Negativen. Erst die Bewegung des Selbstbewusstseins hebt diesen Gegensatz auf.  

Der neue Gegenstand des Bewusstseins als Selbstbewusstsein: das Leben

Das Bewusstsein ist in sich selbst zurückgegangen, es ist Reflexion-in-sich geworden. Damit hat sich aber auch sein Gegenstand geändert, sein Ansich oder Massstab seiner Wahrheit. Wie es selbst, ist auch sein Gegenstand Reflexion-in-sich geworden, nämlich Einheit des Unterschiedenen im Zusammenfallen des Innern des Verstandes und des Innern des Gegenstandes, wie es sich aus der Bewegung des Bewusstseins des Verstandes ergeben hat. Wahrnehmung und Verstand sind jetzt diesem neuen Gegenstand unterworfen, der als die Einheit des Unterschiedenen Leben ist: „Der Gegenstand der unmittelbaren Begierde des Selbstbewusstseins ist ein Lebendiges.“ (TWA 3/139)  

Der Begriff des Bewusstseins in seinem Dasein entzweit sich erneut, diesmal in das Selbstbewusstsein und das Leben. Am Anfang, in der Begierde, stellt sich diese Entzweiung als unmittelbare Negation der Selbständigkeit des Gegenstandes darf. Nur so kann das Selbstbewusstsein seine Selbständigkeit und gewonnene Dominanz über den Gegenstand erweisen. Das Verhältnis zwischen Bewusstsein und Gegenstand hat sich verkehrt. Der Massstab der Wahrheit des Bewusstseins entpuppt sich als ein nur Negativer, dessen Wahrheit die Unselbständigkeit des Gegenstandes ist. Das Selbstbewusstsein muss dann in seiner Bewegung zuerst wieder lernen, seinen Gegenstand auch als Selbständiger zu gewinnen.  

In der Entzweiung ergibt sich somit der Gegensatz von zwei Begriffen, der in der an sich vorhandenen Einheit von Selbstbewusstsein und Leben – Bewusstsein und Gegenstand - zur Aufgabe der Lebensform Mensch wird. Das Leben ist die Unendlichkeit der Einheit der Unterschiede selbst, aber ohne dass diese für es ist. Im Selbstbewusstsein wird sie nun für das Bewusstsein selbst. Damit ist Leben nicht mehr in unmittelbarer Einheit mit seinem Genus, sondern dieser wird zur individuellen und gemeinschaftlichen Aufgabe, deren Ziel die Freiheit ist, sowohl des Denkens als auch des Wollens. Dem ersten Leben als unmittelbare Einheit des Allgemeinen und Besondern steht das zweite Leben – das Selbstbewusstsein – gegenüber, das die Vermittlung der beiden zur Aufgabe hat. Diese Vermittlung ist eine Geschichtliche, in welcher der Begriff des Bewusstseins in seinem Dasein die Extreme möglicher Vermittlung ausloten muss, um im Ergebnis alle erforderlichen Momente der Freiheit als Momente zu realisieren.  

Hegel geht jetzt kurz auf den Begriff des Lebens ein, der eigentlich in die Naturphilosophie gehört, die vollumfänglich erst in der Enzyklopädie zur Darstellung kommt. Dies bedeutet, dass er sozusagen aus der Logik der drei vorangehenden Bewusstseinsformen, die im Selbstbewusstsein ihre begriffliche Einheit gefunden haben, zum Begriff des realen Lebens überleiten muss. Hegel hat wohl gespürt, dass er in einer Phänomenologie des Geistes diesen Übergang logisch nicht überzeugend leisten kann und deshalb später in der Enzyklopädie – nachdem ihm die gesamte Logik zur Verfügung stand – den Übergang aus der logischen Idee heraus begründet. Dies hat Vor- und Nachteile.